EuGH 2023-in-vitro-Mutagenese

EuGH-Urteil C-688/21

 

Pflanzen aus in-vitro-Zufallsmutageneseverfahren fallen nicht unter das Gentechnikrecht

 

In seinem Urteil C-688/21 vom 07.02.2023 zur rechtlichen Einordnung von in-vitro-Zufallsmutageneseverfahren hat nun der Europäische Gerichtshof (EuGH) klar ausgeführt, dass die in vitro-Zufallsmutagenese genauso wie die in vivo Zufallsmutagenese unter die Ausnahmeregelung nach Art. 3 Nr. 1, und Anhang I B, Nr. 1 der Freisetzungsrichtlinie 2001/18/EG fällt. Pflanzen aus diesen beiden Mutageneseverfahren unterliegen somit nicht den Regularien aus dem Gentechnikrecht, wie einer Zulassung nach einer umfassenden Risikobewertung, einer Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit.

 

In seinem Urteil stuft der EuGH  in-vivo- und in-vitro-Mutagenese rechtlich nicht als unterschiedliche Verfahren ein. Dies entspricht dem Sinne der Freisetzungsrichtlinie 2001/18/EC und ist aus wissenschaftlicher Sicht sinnvoll und gerechtfertigt. Beide Mutageneseverfahren erzeugen ungerichtet Mutationen und die Art der Mutationen und ihre Auswirkungen unterscheiden sich nicht. Unterschiedlich ist lediglich, dass bei in-vivo-Verfahren intakte Pflanzen und bei in-vitro-Verfahren Zellen oder Gewebe verwendet werden aus denen wieder Pflanzen regeneriert werden. Die langjährige Anwendung beider Verfahren hat einerseits den sicheren Umgang mit den Techniken gezeigt und anderseits den Nachweis sicherer Pflanzen, von denen keine Risiken für Mensch, Tier und Umwelt ausgehen erbracht. Mehr als 3200 Pflanzen aus solchen Zufallsmutagenesen sind auf dem Markt. Eine Einordnung von Pflanzen aus in-vitro-Mutageneseverfahren als gentechnisch-verändert im Sinne der Freisetzungsrichtlinie hatte zusätzlich zu großen Verwerfungen im internationalen Handel geführt. Eine solche Einordnung gegenüber in vivo-Verfahren wäre weder rechtlich noch wissenschaftlich begründbar.

 

Das Urteil ist aus wissenschaftlicher Sicht korrekt und im Sinne der Wissenschaft zu begrüßen.


► EuGH-Pressemeldung: Verfahren zur genetischen Veränderung: Der Gerichtshof konkretisiert den Status der In-vitro-Zufallsmutagenese im Hinblick auf die GVO-Richtlinie 


► Das Urteil im Volltext

Das Urteil:

"Organismen, die durch die Anwendung eines Verfahrens oder einer Methode der Mutagenese gewonnen werden, das bzw. die auf den gleichen Modalitäten der Veränderung des genetischen Materials des betreffenden Organismus durch ein Mutagen beruht wie ein Verfahren oder eine Methode der Mutagenese, das bzw. die herkömmlich bei einer Reihe von Anwendungen angewandt wurde und seit Langem als sicher gilt, sich jedoch von dem zweiten Verfahren oder von der zweiten Methode der Mutagenese durch andere Merkmale, einschließlich der Verwendung von In-vitro-Kulturen, unterscheidet, sind von der in dieser Bestimmung vorgesehenen Ausnahme grundsätzlich ausgeschlossen, sofern feststeht, dass diese Merkmale geeignet sind, zu Veränderungen des genetischen Materials dieses Organismus zu führen, die sich in ihrer Art oder in dem Tempo, in dem sie auftreten, von denjenigen unterscheiden, die durch die Anwendung dieses zweiten Verfahrens oder dieser zweiten Methode der Mutagenese gewonnen werden. Jedoch rechtfertigen es die mit In-vitro-Kulturen einhergehenden Wirkungen als solche nicht, dass Organismen von dieser Ausnahme ausgenommen werden, die durch die In-vitro-Anwendung eines Verfahrens oder einer Methode der Mutagenese gewonnen werden, das bzw. die herkömmlich bei einer Reihe von Anwendungen in vivo angewandt wurde und in Bezug auf diese Anwendungen seit Langem als sicher gilt."


Oder einfach ausgedrückt: Pflanzen (Organismen) aus in-vitro-Mutageneseverfahren fallen wie die aus der in-vivo-Mutagenese unter die Ausnahmeregelung Art. 3, Nr. 1 in Verbindung mit Anhang I B Nr. 1 der Freisetzungsrichtline 2001/18/EG.



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