Kommissionsbericht -NGT

Kommissionsbericht zu den neuen genomischen Techniken

Vorgeschichte zum Kommissionsbericht

In seinem Urteil C-528/16 vom 25.07.2018 stuft der Europäische Gerichtshof (EuGH) induzierten Mutationen als Gentechnik ein. Dies gilt sowohl für die klassischen Mutageneseverfahren (Chemikalien- und/oder Strahlen induziert) als auch die neuen Verfahren wie CRISPR/Cas und TALEN usw.


In seiner Sitzung vom 14.05.2019 diskutiert der EU-Agrarministerrat das EuGH-Urteil. Er erkennt zwar an, dass das Urteil Rechtsklarheit in Bezug auf die neuen Züchtungstechniken erbracht habe, weist aber auch auf Fragen und Herausforderungen hin, die es ausgelöst hat. Der Agrarministerrat erbittet die Kommission um die Erstellung eines Berichtes zum Status und zur Rechtslage der neuen Verfahren für Genomveränderungen. Zusätzlich erbittet der Rat gegebenenfalls einen Vorschlag für eine Einstufung und Regelung der neuen Techniken zu erarbeiten. Der Bericht soll bis Ende April 2021 vorgelegt werden.  


EuGH-Urteil C-528/16 zur rechtlichen Einordnung von Mutageneseverfahren


JUDGMENT OF THE COURT (Grand Chamber) of 25 July 2018 in case C‑528/16

REQUEST for a preliminary ruling under Article 267 TFEU from the Conseil d’État (Council of State, France), made by decision of 3 October 2016, received at the Court on 17 October 2016, in the proceedings Confédération paysanne, Réseau Semences Paysannes, Les Amis de la Terre France, Collectif Vigilance OGM et Pesticides 16, Vigilance OG2M, CSFV 49, OGM dangers, Vigilance OGM 33, Fédération Nature et Progrès versus Premier ministre, Ministre de l’Agriculture, de l’Agroalimentaire et de la Forêt.

https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf;jsessionid=4A45B3882AF38978757E8676E2D01B70?text=&docid=204387&pageIndex=0&doclang=EN&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=3059867

 

Urteil des Gerichtshofes (Große Kammer) vom 25. Juli 2018 in der Rechtsache C.528/16 betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art, 267 AEUV, eingereicht vom Conseil d´Etat (Staatsrat, Frankreich mit Entscheidung vom 3.Oktober, beim Gerichtshof eingegangen am 17.Oktober 2016 in dem Verfahren Confédération paysanne, Réseau Semences Paysannes, Les Amis de la Terre France, Collectif VigilanceOGM et Pesticides16, Vigilance OG2M, CSFV49, O GM dangers, Vigilance OGM 33, Fédération Nature et Progrès gegen Premierministre, Ministère de l’Agriculture, de’Agroalimentaire et de la Forêt

https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:62016CJ0528&from=DE

hierzu auch:

https://www.biotech-gm-food.com/kommentare/eugh-urteil-mutagenese-ist-gentech

 

Auftrag des Rates an die Kommission


Council Decision (EU) 2019/1904 of 8 November 2019 requesting the Commission to submit a study in light of Court of Justice´s judgement in Case C-528/16

Beschluss (EU) 2019/1904 des Rates vom 8. November 2019 mit dem Ersuchen an die Kommission, eine Untersuchung im Lichte des Urteils des Gerichtshofs in der Rechtssache C-528/16 zu dem Status neuartiger genomischer Verfahren im Rahmen des Unionsrechts sowie — falls angesichts der Ergebnisse der Untersuchung angemessen — einen Vorschlag zu unterbreiten

https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:32019D1904&from=EN

hierzu auch

Update EU: EuGH-Urteil (C-528/16) zur genrechtlichen Einordnung von Mutageneseverfahren

https://www.biotech-gm-food.com/up-date-eugh-urteil-c-528-16-mutageneseverfahren-crispr-cas 

Dies bedeutet, dass Organismen, die durch mutagene Chemikalien oder strahlen-induzierte Mutationen gewonnen wurden, gentechnisch veränderte Organismen (GVO) darstellen. Nach den Gentechnikgesetzen sind diese GVO allerdings von ihren Regelungen ausgenommen. In einer neuen Regelung könnten für bestimmte neue genomische Techniken spezielle Ausnahmen eingeführt werden. 

Der Kommissionsbericht


Am 29.April 2021 hat die Kommission fristgerecht, den vom Europäischen Rat 2019 erbetenen Bericht zum Status neuer genomischer Techniken veröffentlicht. Die Aussagen im Kommissionsbericht zu Status neuer genomischer Techniken beruhen vornehmlich auf der Auswertung der Befragungen von Stakeholdern (107 angefragt, 58* haben geantwortet), der Mitgliedsstaaten sowie den Stellungnahmen bzw. Berichten der Europäischen Behörde für Lebensmittel (EFSA), der Europäischen Gruppe für Ethik der Naturwissenschaften und der Neuen Technologien, der Gemeinsamen Forschungsstelle (JRC) und dem Europäischen Netz von GVO-Laboratorien. Der Bericht gibt weitgehend die Meinungen der Befragten wieder. Er stellt einen umfassenden und objektiven Sachstand zu den neuen genomischen Techniken und ihren Anwendungen im gesamten Wirtschaftsbereich (industrielle Biotechnologie, Medizin- und Pharmabereich sowie in der Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion) dar.

 

Nach Auswertung der unterschiedlichen, auch kontroversen Meinungen kommt die Kommission zum Schluss, dass die neuen genomischen Techniken

  • hohe innovative Potentiale, insbesondere im Bereich der Pflanzenbiotechnologie, aufweisen,
  • das Erreichen der Ziele aus dem Green Deal erleichtert ermöglichen,
  • nicht mit den gegenwärtigen gesetzlichen Vorschriften sachgerecht und differenziert geregelt werden können.

 

Die Kommission fasst ihre Schlussfolgerung selbst wie folgt zusammen:

  • „Mit Pflanzen, die gegenüber Krankheiten, Umweltbedingungen und Auswirkungen des Klimawandels widerstandsfähiger sind, können die NGT zu nachhaltigen Lebensmittelsystemen beitragen. Für diese Erzeugnisse spricht darüber hinaus ein besserer Nährwert, etwa ein gesünderer Fettsäuregehalt, und ein geringerer Bedarf an landwirtschaftlichen Betriebsmitteln, etwa Pestiziden.
  • Durch ihren Beitrag zu der von der EU angestrebten Innovation und Nachhaltigkeit der Lebensmittelsysteme sowie zu einer wettbewerbsfähigeren Wirtschaft können NGT für viele Bereiche unserer Gesellschaften von Nutzen sein.
  • Gleichzeitig wurden im Rahmen der Studie auch Bedenken gegenüber NGT-Erzeugnissen und ihren derzeitigen und künftigen Anwendungen untersucht. Dazu zählten die möglichen Auswirkungen auf Sicherheit und Umwelt, z. B. auf die biologische Vielfalt, die Koexistenz mit einer ökologischen und GVO-freien Landwirtschaft sowie die Kennzeichnung.
  • Bei den NGT handelt es sich um eine ganze Bandbreite von Verfahren, die unterschiedliche Ergebnisse erzielen können, und so manche NGT-erzeugte Pflanzen sind für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt genauso sicher wie solche aus konventioneller Züchtung.
  • Die Studie kommt zu dem Schluss, dass es deutliche Hinweise darauf gibt, dass die geltenden GVO-Rechtsvorschriften aus dem Jahr 2001 für einige NGT und ihre Erzeugnisse nicht zweckmäßig sind und an den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt angepasst werden müssen.“

 

Konkrete Vorschläge wie eine Regelung aussehen könnte, macht die Kommission, obwohl damals auch vom Rat erwünscht wurde, jedoch nicht.

 

Die Kommission stellt aber auch fest, dass für einige Begriffe Unklarheiten herrschen und diese unterschiedlich interpretiert werden. Deshalb sollten diese bei den weiteren Beratungen eindeutig geklärt bzw. definiert werden. Hierzu gehören

  • Mutagenese,
  • Konventionell verwendet in einer Anzahl von Anwendungen; oder lange sichere Nutzung, verändertes genetisches Material; Veränderung des genetischen Materials,
  • Rekombinante Nukleinsäuremoleküle,
  • Gebrauch von rekombinanten Nukleinsäuremolekülen
  • Transformationsereignis

 

Aus dem Bericht kann entnommen werden, dass die Kommission die neuen genomischen Techniken bei Anwendungen

  • im Medizin- und Pharmabereich separat regulieren,
  • bei Mikroorganismen und Tieren zunächst die bestehenden Gesetze weiterhin anwenden,
  • bei Pflanzen neu regulieren will. Hierbei soll aber das Vorsorgeprinzip nicht aufgegeben werden. Sicherheit von Mensch, Tier und Umwelt und Transparenz sollen einen hohen Stellenwert behalten.

 

Aus dem Brief an den portugiesischen Ratspräsidenten wird deutlich, dass die Kommission ihre Schwerpunkte auf die gerichteten Mutageneseverfahren, Cisgenese und Intragenese legt, hierzu einen intensiven Informationsaustausch mit allen Beteiligten anstrebt und zeitnah eine Technikfolgenabschätzung mit einer Nachhaltigkeitsprüfung durchführen will. 

 

Folgenabschätzungen

In Folgenabschätzungen wird geprüft, ob Maßnahmen der EU erforderlich sind, und welche Auswirkungen die vorgeschlagenen Lösungen hätten. Folgenabschätzungen werden in der Vorbereitungsphase durchgeführt, also noch bevor die Kommission einen Vorschlag für eine neue Rechtsvorschrift abschließt. Sie liefern die nötige Faktengrundlage zur Unterstützung des Rechtsetzungsprozesses.

https://ec.europa.eu/info/law/law-making-process/planning-and-proposing-law/impact-assessments_de

 

COMMISSION STAFF WORKING DOCUMENT Study on the status of new genomic techniques under Union law and in light of the Court of Justice

ruling in Case C-528/16

https://ec.europa.eu/food/system/files/2021-04/gmo_mod-bio_ngt_eu-study.pdf

 

EXECUTIVE SUMMARY COMMISSION STAFF WORKING DOCUMENT Study on the status of new genomic techniques under Union law and in light of the

Court of Justice ruling in Case C-528/16 SWD(2021) 92

https://ec.europa.eu/food/system/files/2021-04/gmo_mod-bio_ngt_exec-sum_en.pdf

 

ZUSAMMENFASSUNG ARBEITSUNTERLAGE DER KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN Untersuchung zu dem Status neuartiger genomischer Verfahren im

 Rahmen des Unionsrechts und im Lichte des Urteils des Gerichtshofs in der RechtssacheC-528/16

https://ec.europa.eu/food/system/files/2021-04/gmo_mod-bio_ngt_exec-sum_de.pdf

 

Pressemeldung der Kommission: Studie der EU-Kommission zu Gentechnik: Für neue Verfahren braucht es neue Regeln

https://ec.europa.eu/germany/news/20210429-studie-gentechnik_de

 

EC study on new genomic techniques

https://ec.europa.eu/food/plant/gmo/modern_biotech/new-genomic-techniques_en


Brief an den portugiesischen Ratspräsidenten

Commission: Letter to the Portuguese Presidency of the EU

Next steps: Initiation of a policy action on plants derived from targeted mutagenesis and cisgenesis and an accompanying impact assessment. It also stated that it will begin meeting with the European Parliament and stakeholders in meetings to gather opinions on proposed changes to the current regulatory framework.

https://ec.europa.eu/food/system/files/2021-04/gmo_mod-bio_ngt_letter.pdf

Unterlagen/Daten auf die sich der Kommissionsbericht bezieht


Befragung der Mitgliedsstaaten und von Stakeholdern


Eine der Befragungen richtet sich direkt an die 27 Mitgliedsstaaten und die andere an ausgewählte Interessensvertreter, die direkt oder indirekt von den neuen Methoden für Genomveränderungen (Genome Editing) betroffen sein oder Interesse an den neuen Methoden haben könnten.


Beide Befragungen haben einen ähnlichen Aufbau und umfassen als Hauptabfragepunkte:

    •  Umsetzung und Durchsetzung der GVO-Gesetzgebung in Hinblick auf die neuen genomischen Techniken (NGTs)

    •  Informationen zur Forschung über NGT und NGT-Produkte

    •  Informationen über potenzielle Vorteile und Möglichkeiten von NGTs und NGT-Produkten

    •  Informationen über mögliche Herausforderungen und Bedenken in Bezug auf NGT und NGT-Produkte

    •  Sicherheit von NGTs und NGT-Produkten

    •  Ethische Aspekte von NGTs und NGT-Produkten

    •  Recht der Verbraucher auf Information/Freiheit der Wahl

 

107 Interessensvertreter wurden angeschrieben, 71 bekundeten ihr Interesse und 58 schicken den ausgefüllten Fragebogen zurück (Annex B, Tab. 6 im Kommissionsbericht). Alle Vertreter der gentechnik-kritischen Verbände beantworteten den Fragebogen.


Kommission: Stakeholders’ consultation – Neue molekulare Techniken

    https://ec.europa.eu/food/plants/genetically-modified-organisms/new-techniques-biotechnology/ec-study-new-genomic-0_cs

 

► Fragebogen an die Mitgliedsstaaten: Questionnaire on new genomic techniques to contribute to the study requested by the Council

    (Abgabefrist: 15.01.2020) 

► Fragebogen an die Interessensvertreter: Stakeholder consultation on new genomic techniques to contribute to a Commission study requested

    by the Council (Abgabefrist 15.05.2020)

Bereits 2007 wurde eine Expertenkommission) eingesetzt, um neue sich abzeichnende wissenschaftliche Entwicklungen aus rechtlicher Sicht (2010, 2011) zu beurteilen und die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zu den Verfahren und möglichen Sicherheitsbedenken (2012a, 2012 b) befragt. Im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Kommissionbericht stehen die Stellungnahmen von 2020, 2021a und 2021b. Zusätzlich wurden in der Studie die Expertenmeinungen der Group of Chief Scientific Advisors und der GFS berücksichtigt.


European Commission Directorate General for Health and Consumers (2010): Evaluation of the EU legislative framework in

the field of GM food and feed Framework Contract for evaluation and evaluation related services - Lot 3: Food Chain

Final Report Submitted by: Food Chain Evaluation Consortium (FCEC) Civic Consulting - Agra CEAS Consulting - Van Dijk Management Consultants - Arcadia International

https://ec.europa.eu/food/sites/food/files/plant/docs/gmo_rep-stud_2010_report_eval-gm.pdf

 

EPEC (2011): Evaluation of the legislative framework in the filed of cultivation of GMOs unter the Directive 2001/18(EC and the

regulation (EC) No 1829/2003, and placing on the market of GMOs as or in products under Directive 2001/18/EC.

Final Report: European Policy Evaluation Consortium (EPEC)

https://ec.europa.eu/food/sites/food/files/plant/docs/gmo_rep-stud_2011_report_cultivation.pdf

Stellungnahmen der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit

 

EFSA GMO-Panel (2012a): Scientific opinion addressing the safety assessment of plants developed through cisgenesis and

intragenesis. EFSA Journal 10 (2): 2561. https://doi.org/10.2903/j.efsa.2012.2561

https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.2903/j.efsa.2012.2561

Cisgenesis


“Cisgenesis is the genetic modification of a recipient organism with a gene from a crossable – sexually compatible – organism (same species or closely related species). This gene includes its introns and is flanked by its native promoter and terminator in the normal sense orientation.

Cisgenic plants can harbour one or more cisgenes, but they do not contain any parts of transgenes or inserted foreign sequences.”


 

 Intragenesis


"Intragenesis is a genetic modification of a recipient organism that leads to a combination of different gene fragments from donor organism(s) of the same or a sexually compatible species as the recipient.  These may be arranged in a sense or antisense orientation compared to their orientation in the donor organism. Intragenesis involves the insertion of a reorganised, full or partial coding region of a gene frequently combined with another promoter and/or terminator from a gene of the same species or a crossable species.”

 


Cisgenese


"Cisgenese ist die genetische Veränderung eines Empfängerorganismus mit einem Gen aus einem kreuzbaren - sexuell kompatiblen - Organismus (gleiche oder nahe verwandte Spezies). Dieses Gen enthält seine Introns und wird von seinem nativen Promotor und Terminator in der normalen Leseorientierung flankiert.

Cisgene Pflanzen können ein oder mehrere Cisgene beherbergen, aber sie enthalten keine Teile von Transgenen oder eingefügten Fremdsequenzen."

 

 Intragenese


"Intragenese ist eine genetische Veränderung eines Empfängerorganismus, die zu einer Kombination verschiedener Genfragmente aus Spenderorganismen der gleichen oder einer sexuell kompatiblen Art wie der Empfänger führt. Diese können in einer sense- oder antisense-Orientierung im Vergleich zu ihrer Orientierung im Spenderorganismus angeordnet sein. Bei der Intragenese wird ein reorganisierter, ganzer oder teilweiser kodierender Bereich eines Gens eingefügt, der häufig mit einem anderen Promotor und/oder Terminator aus einem Gen derselben oder einer kreuzbaren Spezies kombiniert wird." 

EFSA GMO-Panel (2012 b): Scientific opinion addressing the safety assessment of plants developed using ZFN-3 and other SDNs

with similar function. EFSA Journal10 (10): 2943. | https://doi.org/10.2903/j.efsa.2012.2943

 https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.2903/j.efsa.2012.2943


In der Stellungnahme werden Definitionen für die ZFN-1 bis ZFN-3 Techniken gegeben. In der Stellungnahme vergleicht das GMO-Panel die Risiken, die bei Pflanzen auftreten können, die mit der SDN-3-Technik erzeugt wurden, mit denen, die bei Pflanzen aus der konventionellen Züchtung und den gegenwärtigen Verfahren der Gentechniken (Transgenese). Hinsichtlich der eingeführten Gene unterscheidet sich die SDN-3-Technik nicht Transgenese, Cisgenese oder Intragenese. Im Unterschied zu den anderen Verfahren kann bei der SDN-3-Technik die DNA an einer vordefinierten Stelle im Genom modifiziert werden. Hierdurch können Risiken von Veränderungen an Genen und/oder regulatorischen Einheiten minimiert werden. Auch bei der SDN-3-Technik können Off-Target-Veränderungen im Empfängerpflanze auftreten, jedoch treten diese seltener als bei den meisten anderen Mutageneseverfahren auf. Außerdem wären solche Veränderungen, sofern sie auftreten, von der gleichen Art wie bei konventionellen Züchtungstechniken.


EFSA (2015): Subject: Request to the European Food Safety Authority to provide technical assistance on issues related to the

legal analysis of new plant breeding techniques. Ref.W/Age/Ago/MR/lg(2015)—out—14680359 EFSA, 15 October 2015

 http://www.ask-force.org/web/EFSA/EFSA-letter-ODM-European-Commission-Dorothee-Andre-20151015.pdf

 

EFSA GMO-Panel (2020): Applicability of the EFSA Opinion on site‐directed nucleases type 3 for the safety assessment of

plants developed using site‐directed nucleases type 1 and 2 and oligonucleotide‐directed mutagenesis. EFSA Journal 18 (11): 6299 |

https://doi.org/10.2903/j.efsa.2020.6299   

https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.2903/j.efsa.2020.6299

In dieser Stellungnahme vergleicht das GMO-Panel Risiken, die von Pflanzen, die mit durch SDN-1, SDN-2 und ODM-Techniken regiert wurden, ausgehen, mit denen, die mit Pflanzen verbunden sind, die mittels SDN-3 und konventioneller Züchtung gewonnen wurden. Anders als bei SDN-3-Methoden zielen Anwendung von SDN-1-, SDN-2- und ODM-Techniken darauf ab, grundsätzlich keine neuen Gene (Transgene, Cisgene, Intragene) in Pflanzen einzuführen. Daher kommt das GMO-Panel zum Schluss, dass die Aussagen, die sich speziell auf das Vorhandensein eines Transgens, Intragens oder Cisgens beziehen, die in Abschnitt 4 und den Schlussfolgerungen des Gutachtens zu SDN-3 enthalten sind, für Pflanzen, die mittels SDN-1, SDN-2 oder ODM im Sinne des vorliegenden Gutachtens gewonnen wurden, nicht relevant sind. Insgesamt konnte das Panel keine neuen Gefahren identifizieren, die speziell mit der genomischen Veränderung durch SDN-1, SDN-2 oder ODM im Vergleich zu SDN-3 und konventioneller Züchtung verbunden sind. Darüber hinaus ist das GVO-Gremium der Ansicht, dass die bestehenden Leitlinien für die Risikobewertung von Lebens- und Futtermitteln aus gentechnisch veränderten Pflanzen und die Leitlinien für die Umweltverträglichkeitsprüfung von gentechnisch veränderten Pflanzen ausreichend sind, aber nur teilweise auf Pflanzen anwendbar sind, die über SDN-1, SDN-2 oder ODM erzeugt wurden. Die Anforderungen dieser Leitfäden, die an das Vorhandensein von exogener DNA geknüpft sind, sind nämlich für die Risikobewertung von Pflanzen, die über SDN-1-, SDN-2- oder ODM-Ansätze entwickelt wurden, nicht relevant, wenn das Genom des Endprodukts keine exogene DNA enthält.


EFSA (2021a): Overview of EFSA and European national authorities’ scientific opinions on the risk assessment of plants developed

through New Genomic Techniques

https://www.efsa.europa.eu/en/efsajournal/pub/6314

Die Europäische Kommission ersuchte die EFSA um einen Überblick über die Risikobewertung von Pflanzen, die mit Hilfe neuer genomischer Techniken (NGTs) entwickelt wurden, unter Berücksichtigung ihrer früheren wissenschaftlichen Gutachten, ihrer laufenden Arbeiten zu diesem Thema sowie der von den zuständigen Behörden und nationalen Institutionen seit 2012 veröffentlichten Stellungnahmen, soweit verfügbar. In diesem Bericht werden NGTs als Techniken definiert, die in der Lage sind, das genetische Material eines Organismus zu verändern, und die seit der Verabschiedung der Rechtsvorschriften über genetisch veränderte Organismen (GVO) im Jahr 2001 entstanden sind oder weiterentwickelt wurden. Die EFSA berücksichtigte 16 wissenschaftliche Gutachten der europäischen Mitgliedstaaten ("MS-Gutachten") sowie drei wissenschaftliche Gutachten des GMO-Gremiums der EFSA zu NGTs. Relevante Informationen zur Beschreibung der einzelnen NGTs und Informationen zur Risikobewertung von Pflanzen, die durch einen oder eine Kombination der definierten NGTs entwickelt wurden, wurden extrahiert und zusammengefasst. Die Ausgangsbasis für die Arten und die Art der in diesen Bericht aufzunehmenden NGTs wurde auf der Grundlage des Berichts des JRC, 2011, über neue Pflanzenzuchttechniken sowie auf der Grundlage der Erläuterungen zu neuen Techniken in der landwirtschaftlichen Biotechnologie des Europäischen Kommissars für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (EC-SAM, 2017) für einige in jüngerer Zeit entwickelte NGTs definiert, wobei die von der Europäischen Kommission für dieses Mandat bereitgestellte NGT-Definition berücksichtigt wurde. Die EFSA wurde nicht ersucht, neue Gutachten zu Pflanzen zu erstellen, die durch spezifische NGTs entwickelt wurden, und daher wurde keine kritische Bewertung der geprüften wissenschaftlichen Gutachten vorgenommen.


EFSA (2021b): Overview of sixteen scientific opinions on genetically modified plants obtained by new genomic techniques

https://www.efsa.europa.eu/en/supporting/pub/en-1973

https://www.efsa.europa.eu/sites/default/files/2021-04/EN-1973.pdf

Das RIVM wurde von der EFSA gebeten, eine Übersicht über 16 wissenschaftliche Gutachten zu erstellen, die von den zuständigen europäischen Behörden und nationalen Institutionen seit 2012 zu gentechnisch veränderten Pflanzen, die durch neue genomische Techniken (NGTs) gewonnen wurden, veröffentlicht wurden. Die 16 Gutachten wurden von der Europäischen Kommission im Rahmen eines Mandats zur Verfügung gestellt, in dem die EFSA gebeten wurde, einen Überblick über die Risikobewertung von Pflanzen, die durch NGTs entwickelt wurden, auf der Grundlage ihrer eigenen früheren und aktuellen Arbeiten sowie der auf nationaler Ebene durchgeführten Arbeiten zu erstellen. NGTs werden als Techniken definiert, die in der Lage sind, das genetische Material eines Organismus zu verändern und die seit der Verabschiedung der GVO-Gesetzgebung im Jahr 2001 entstanden sind oder entwickelt wurden. Basierend auf dieser Definition für NGTs, die von der EC zur Verfügung gestellt wurde, wurden die folgenden NGTs, wie in einem Bericht des Gemeinsamen Forschungsrates über neue Pflanzenzuchttechniken, der 2011 veröffentlicht wurde, beschrieben, betrachtet: (1) Zinkfingernuklease-Technologie (im weiteren Sinne als ortsgerichtete Nuklease-Technologie definiert); (2) Oligonukleotid-gerichtete Mutagenese; (3) Cisgenese und Intragenese; (4) RNA-abhängige DNA-Methylierung; (5) Pfropfung (auf gentechnisch veränderte Unterlagen); (6) Reverse Breeding; (7) Agro-Infiltration und (8) synthetische Genomik. Der vorliegende Bericht stellt die Informationen zur Methodenbeschreibung der definierten NGTs und zur Risikobewertung der durch diese NGTs entwickelten Pflanzen dar, wie sie aus den 16 Stellungnahmen extrahiert wurden. Um die relevanten Informationen zu extrahieren, wurde eine Basisbeschreibung für jeden NGT festgelegt und es wurden Ein- und Ausschlusskriterien für die Informationsextraktion definiert. Die meisten (14 von 16) Stellungnahmen behandeln die SDN-Technologie, während keine Stellungnahme Informationen zur synthetischen Genomik enthält. Eine neue NGT, das Base-Editing, wird in vier Stellungnahmen beschrieben und daher werden auch Informationen zu dieser Technik dargestellt. Wie durch die Beschaffung vorgegeben, wurde keine kritische Bewertung der aus den wissenschaftlichen Stellungnahmen extrahierten Informationen durchgeführt. 


Die Stellungnahmen und Berichte der EFSA legen nahe, dass die Risiken bei den neuen molekularen Techniken (NGTs) bei denen keine exogene oder rekombinante DNA eingeführt wird, ähnlich denen sind wie bei  konventionelle Züchtung. Darüber hinaus sind bei der gerichteten Mutagenese die potenziell induzierten Off-Target-Efdfekte von der gleichen Art wie bei der konventionellen Züchtung und der Zufallsmutagenese. Allerdings treten sie bei der gerichteten Mutagenes seltener auf.

Berichte – Untersuchungen der Gemeinsamen Forschungsstelle (Joint Research Centre; JRC)

 

Das JRC erstellte den Bericht zur gegenwärtigen und zukünftigen Marktentwicklungen von Anwendungen der neuen genomischen Techniken (NGTs)(2021a) und einen Review zum wissenschaftlichen Entwicklungsstand der NGs (2021b.)   

 

Marktentwicklung:


Parisi, C. and Rodriguez Cerezo, E. (2021a): Current and future market applications of new genomic techniques,

EUR 30589 EN, Publications Office of the European Union, Luxembourg, ISBN 978-92-76-30206-3, doi:10.2760/024720, JRC123830.

 https://publications.jrc.ec.europa.eu/repository/handle/JRC123830


Dieser Bericht analysiert die Marktentwicklungen für Anwendungen von NBTs im Bereich der industriellen Biotechnologie (Mikroorganismen), Landwirtschaft (Lebens- und Futtermittel) sowie im Gesundheitssektor. Für die Studie werden NGTs definiert als "Techniken, die in der Lage sind, das genetische Material eines Organismus zu verändern, und die nach der Veröffentlichung der EU-Richtlinie 2001/18/EG entwickelt wurden". Untersucht werden die Stadien der

  • Kommerziellen Nutzung: NGT-Anwendungen, die derzeit in mindestens einem Land weltweit vermarktet werden.
  • Vorkommerziellen Entwicklung: NGT-Anwendungen, die bereit sind, in mindestens einem Land weltweit in den Markt eingeführt werden sollen, aber noch nicht auf dem Markt sind (die Kommerzialisierung hängt hauptsächlich von der Entscheidung des Entwicklers ab, und es wird ein Zeithorizont von 5 Jahren veranschlagt).
  • Fortgeschrittenen F & E-Entwicklungen: NGT-Anwendungen, die sich in einem fortgeschrittenen Entwicklungsstadium befinden (Feldversuche im Falle von Pflanzen, klinische in/ex vivo Versuche im Falle von medizinischen Anwendungen) und voraussichtlich mittelfristig den Markt erreichen werden (d.h. bis 2030).
  • Frühe F & E-Entwicklungen: NGT-Anwendungen im Stadium des Konzeptnachweises

 

Derzeit sind weltweit nur wenige NGT-Anwendungen auf dem Markt: zwei pflanzliche Produkte, ein Mikroorganismus für die Freisetzung in die Umwelt und mehrere Mikroorganismen, die für die Produktion von kommerziellen Molekülen im geschlossenen System verwendet werden. Es befinden sich jedoch etwa 30 identifizierte Anwendungen (bei Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen) in einem vorkommerziellen Stadium in der Pipeline, die kurzfristig (innerhalb von 5 Jahren) den Markt erreichen könnten. Insgesamt identifiziert das IRC weltweit ca. 600 marktorientierte Produkte aus NBTs in fortgeschrittenen und frühen Entwicklungsstadien.

 

Der Bericht zeigt eindrucksvoll die dynamischen Entwicklungen von Anwendungen der NGTs in der Pflanzenzüchtung, bei Mikroorganismen und im Gesundheitsbereich in weiten Teilen der Welt auf.


Review zum wissenschaftlichen Stand von NBTs:

 

Broothaerts, W., Jacchia, S., Angers, A., Petrillo, M., Querci, M., Savini, C., Van den Eede, G., Emons, H.(2021b):

New Genomic Techniques: State-of-the-Art Review, EUR 30430 EN, Publications Office of the European Union, Luxembourg, ISBN 978-92-76-24696-1, doi:10.2760/710056, JRC121847.

 https://publications.jrc.ec.europa.eu/repository/handle/JRC121847 

 

Dieser Review gibt einen umfassenden Überblick über NGTs und beschreibt ihre Eigenschaften. Basierend auf den Interaktionen mit dem Genom werden vier Gruppen von NGTs unterschieden:

  1. NGTs, die einen Doppelstrangbruch in der DNA erzeugen;
  2. NGTs, die Genom-Editing erreichen, ohne die DNA-Doppelhelix zu schneiden oder nur einen Einzelstrangbruch in der DNA erzeugen;
  3. NGTs, die epigenomische Veränderungen induzieren;
  4. NGTs, die spezifisch auf RNA wirken.

 

Innerhalb jeder Gruppe werden mehrere NGTs in ihrer Wirkungsweise, den induzierten Veränderungen und den Organismen, auf die die Technik angewendet werden kann, beschrieben.

Informationen über mögliche unbeabsichtigte (üblicherweise als "Off-Target" bezeichnete) Modifikationen und Einschränkungen unseres derzeitigen Verständnisses ergänzen die technischen Beschreibungen für jeden NGT.

Europäisches Netz von GVO-Laboratorien


European Network of GMO Laboratories (ENGL)(2019): Detection of food and feed plant products obtained by new

mutagenesis techniques

https://gmo-crl.jrc.ec.europa.eu/doc/JRC116289-GE-report-ENGL.pdf


Ein eindeutiges Nachweisverfahren ist unter anderem eine der Voraussetzung für Zulassung von Organismen und daraus hergestellter Erzeugnisse, die nach der GVO-Gesetzgebung reguliert werden. Zusätzlich ermöglicht es die Rückverfolgbarkeit und die Überprüfung einer ordnungsgemäßen Kennzeichnung. Da das Ergebnis der durch die neuen Verfahren erzeugten Veränderungen oft identisch ist mit Mutationen, die spontan in der Natur entstehen, ist es nahezu unmöglich von dem Nachweis einer solchen Veränderung auf die Art ihrer Entstehung zu schließen. Kernaussagen im Bericht sind, dass

  • Änderungen auf der DNA-Ebene nachgewiesen werden können, aber es keinen eindeutigen Nachweis gibt wie diese Änderung entstanden ist,
  • für DNA-Änderungen, die ein oder wenige DNA-Basenpaare betreffen, ein Antragsteller möglicherweise keine ereignisspezifische Methode entwickeln kann,
  • durch Genom-Editing gewonnene Pflanzenprodukte unerkannt auf den Markt gelangen können. Wenn ein Produkt mit einer unbekannten oder nicht eindeutigen DNA-Änderung auf dem EU-Markt entdeckt würde, wäre es außerdem schwierig oder sogar unmöglich einen Beweis vorzulegen, dass die geänderte Sequenz aus der Bearbeitung von Genomen stammt.


Der nicht rechtssichere Nachweis wie die genetische Veränderung herbeigeführt wurde ist bislang nicht möglich. Dies erschwert Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit der Erzeugnisse. 

European Group on Ethics in Science and New Technologies (2021): Opinion on Ethics of Genome Editing

https://ec.europa.eu/info/files/ethics-genome-editing_en

 

Statement by the Group of Chief Scientific Advisors (2018): A Scientific Perspective on the Regulatory Status of Products

Derived from Gene Editing and the Implications for the GMO Directive

https://ec.europa.eu/info/sites/default/files/2018_11_gcsa_statement_gene_editing_1.pdf



Presse- und Medienberichte zum Kommissionsbericht sowie Literatur zur NGT-Regelungen


European Green Deal

__________________________________________________________________



Commission (2019): A European Green Deal

Striving to be the first climate-neutral continent

 https://ec.europa.eu/info/strategy/priorities-2019-2024/european-green-deal_en

 

Commission (2019): From Farm to Fork

Our food, our health, our planet, our future

A healthier and more sustainable EU food system is a cornerstone of the European Green Deal

 https://ec.europa.eu/info/strategy/priorities-2019-2024/european-green-deal/actions-being-taken-eu/farm-fork_en


Health and Food Safety Directorate General: Farm to Fork strategy: Annual evaluation shows ‘positive step’ towards

meeting pesticide targets

 https://ec.europa.eu/newsroom/sante/newsletter-archives/32872

 

 



bgf-Jany 16.05.2021 / 01.06.2021

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