Die Verordnung tritt am 27.März 2021 in Kraft.
Ab diesem Termin muss die EFSA alle wissenschaftlichen Daten und Studien, die für die Erstellung ihrer Stellungnahme zur Sicherheit des entsprechenden Erzeugnisses verwendet wurden, veröffentlichen. Die schließt auch die Studien, die durch den Antragssteller durchgeführt oder anlasst wurden, ein. Vertrauliche Daten müssen vorab klar gekennzeichnet und von der Behörde auch als vertraulich anerkannt werden.
weitere Informationen: https://www.biotech-gm-food.com/aktuelles/transparenz-risikobewertung-efsa
Diese vorläufigen Informationen werden entsprechend dem jetzt vorliegenden Gesetzestextes angepasst.
06.09.2019: Verordnung über die Transparenz und Nachhaltigkeit der EU-Risikobewertung im Bereich der Lebensmittelkette im Amtsblatt veröffentlicht.
VERORDNUNG (EU) 2019/1381 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 20. Juni 2019 über die Transparenz und Nachhaltigkeit der EU-Risikobewertung im Bereich der Lebensmittelkette und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 178/2002, (EG) Nr. 1829/2003, (EG) Nr. 1831/2003, (EG) Nr. 2065/2003, (EG) Nr. 1935/2004, (EG) Nr. 1331/2008, (EG) Nr. 1107/2009, (EU) 2015/2283 und der Richtlinie 2001/18/EG
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32019R1381&from=EN
Die EFSA ist an sich sehr transparent und folgt hier den Vorschriften aus Kapitel 3 der Basis-Verordnung. Auf ihrer Web-Site und ihren Unterseiten lassen sich fast alle Arbeiten der EFSA und ihrer wissenschaftlichen Ausschüsse auffinden. Allerdings lässt sich nur nach Veröffentlichung einer wissenschaftlichen Stellungnahme zur Sicherheit eines Produkts / Erzeugnisses erkennen, welche Studien zur Risikobewertung herangezogen und welche ausgeschlossen wurden. Nicht zugänglich sind Studien, die von der Wirtschaft durchgeführt und nicht veröffentlicht wurden. Dies ist tatsächlich ein großer Nachteil und genau hier setzt nun die Transparenzoffensive an.
Neuanträge auf Zulassungen
Bestimmte Gruppen der Öffentlichkeit misstrauen mehr oder minder stark wissenschaftlichen Untersuchungen, die von Wirtschaftsunternehmen und / oder im Auftrag der Wirtschaft durchgeführt und finanziert werden. Gerade im Bereich der Agrar- und Lebensmittelwirtschaft ist das Misstrauen und die daraus resultierende Verunsicherung besonders groß im Vergleich zu den Bereichen der Medizin, Autoindustrie, Anlagenentwicklung usw.
Um hier mehr Transparenz und Vertrauen zu erreichen, sollen mehrere Maßnahmen greifen.
Einrichtung eines Unionsregisters
Unternehmen / Antragersteller, die beabsichtigen die Zulassung eines Produktes / Erzeugnisses zu beantragen, sollen unverzüglich alle (geplanten) Studien, die für ein Zulassungsverfahren als notwendig erachtet werden bzw. sind, vorab an ein von der EFSA eingerichtetes und geführtes Unionsregister melden. Dies betrifft nicht nur die beabsichtigten „in house“ Studien, sondern auch jene, die von der Wirtschaft nach Außen vergebenen werden. Damit das System lückenlos wird, sollen auch die Auftragnehmer solcher Untersuchungen der Meldepflicht an das Unionsregister unterworfen werden. Hiermit soll sichergestellt werden, dass Untersuchungen, die nicht den Vorstellungen / Erwartungen der Wirtschaft entsprechen, nicht unterdrückt werden können.
Zugänglich der Studien
Nur im Falle eines tatsächlichen Antrages auf Zulassung eines Produkts / Erzeugnisses soll die EFSA die Studien der Öffentlichkeit zugänglich machen. Die EFSA soll proaktiv die gemeldeten Informationen nach Klärung und „Eliminierung“ vertraulicher Daten offenlegen.
Im Rahmen einer möglichen öffentlichen Anhörung soll sichergestellt werden, dass die EFSA von allen verfügbaren wissenschaftlichen Studien, die mit der beabsichtigten Zulassung des Produktes / Erzeugnisses im Zusammenhang stehen, Kenntnis erhält. Dies entbindet die EFSA nicht von ihrem bereits praktizierten Vorgehen, die wissenschaftliche Literatur nach entsprechenden Untersuchungen zu überprüfen.
Konsultation Dritter
Für von der Wirtschaft-finanzierte Studien soll, wenn angezeigt, zusätzlich eine Konsultation Dritter bzw. interessierter Gruppen vorgenommen werden. Unklar ist bislang noch wie die Ergebnisse aus solchen Konsultationen in die unabhängige Risikobewertung der wissenschaftlichen Ausschüsse einfließen sollen.
Einrichtungen von Kontrollen und Audits
Um gegenüber der Öffentlichkeit die wissenschaftliche Qualität der Studien abzusichern, will die Kommission ein Prüfungssystem einführen um sicher zu stellen, dass die Untersuchungen tatsächlich auch entsprechend den wissenschaftlichen Qualitätsstandards durchgeführt werden.
Beauftragung von Studien durch die EFSA
In besonderen Fällen und bei besonders kontroversen Diskussionen (z. B. wie bei Glyphosat oder Bis-Phenol A) soll die EFSA die Möglichkeit erhalten, selbst Studien in Auftrag zu geben. Diese sollen unabhängig von den vorhandenen Untersuchungen die EFSA bei ihrer Risikobewertung unterstützen. Die Finanzierung solcher neuen zusätzlichen Studien soll aus dem EU-Haushalt erfolgen. Da die EFSA die Studien in Auftrag gibt, ist mit einer europaweiten Ausschreibung nach EU-Haushaltsrecht zu rechnen.
Erneuerung von Zulassungen
Nicht neu ist, dass bei Produkten / Erzeugnissen, bei denen die Zulassung nur befristet ist, Anmelder vor Ablauf der Zulassung einen Antrag auf Verlängerung der Zulassung stellen müssen. Neu wird allerdings, dass zur Erhöhung der Transparenz der Antragsteller seine (geplanten) Untersuchungen und Daten, die vornehmlich aus Erkenntnissen und Erhebungen seit bereits mehreren Jahren auf dem Markt befindlichen Produkten / Erzeugnissen gewonnen wurden, vor Antragsstellung der EFSA übermitteln soll. Nach Identifizierung und Eliminierung vertraulicher Daten führt die EFSA eine öffentliche Anhörung über die Studien bzw. zu den Daten durch. Die Öffentlichkeit und dazugehören alle Interessengruppen können Kommentare und Ratschläge abgeben. Die EFSA leitet anschließend diese Kommentare und ihre Anmerkungen zur Durchführung der Untersuchungen sowie zur Antragsstellung dem Antragsteller zu. Mit der öffentlichen Anhörung soll zusätzlich erreicht werden, dass alle verfügbaren Studien, die für die Erneuerung der Zulassung von Belang sind, in den Bewertungsprozess einbezogen werden.
Die Einreichung von Informationen an die EFSA vor dem eigentlichen Antrag auf eine Zulassung soll gewährleisten, dass der Antragsteller alle notwendigen Anforderungen für das Zulassungsverfahren kennt und die EFSA eine Hilfestellung für die Beantragung leisten kann.
Anmerkungen
Eine Erhöhung der Transparenz kann nur begrüßt werden und kann das Vertrauen in die EFSA und ihrer Unabhängigkeit bei der Durchführung der Risikobewertung nur stärken. Allerdings sollte auch beachtet werden, dass vor lauter Bemühen um Transparenz die Effektivität der EFSA nicht tangiert wird.
Das Register und die Konsultation Dritter werden als essentiell wichtig angesehen. Sie werden Transparenz und Vertrauen gegenüber der Öffentlichkeit zu schaffen. Allerdings ist zu erwarten, dass es um die im Register eingestellten Studien zu Scheindebatten und rechtlichen Problemen kommen wird. Dies insbesondere, wenn da die Studien bereits nach Eingang eines Antrags auf Zulassung, also in einer sehr frühen Phase, im Register veröffentlicht werden. Nicht ganz auszuschließen ist, dass bereits im Vorfeld durch die öffentliche Debatte Druck auf die EFSA ausgeübt wird und möglicherweise die unabhängige Risikobewertung beeinflusst.
Unklar ist die Regelung einer unabhängigen Risikokommunikation durch die EU-Kommission, den Mitgliedsstaaten und der EFSA während des Bewertungsverfahren. Wer kommuniziert was und was ist, wenn Aussagen im Widerspruch zu denen der EFSA stehen? Wird die Kommunikation zwischen den Beteiligten abgesprochen? Insbesondere wird dies nach Veröffentlichung einer wissenschaftlichen Stellungnahme zu einem Produkt / Erzeugnis von Bedeutung sein. Bei dieser unabhängigen Risikokommunikation bestünde durchaus die Möglichkeit, dass mehrere offizielle Meinungen zu einer EFSA-Stellungnahme im Umlauf sind. Dies wäre kontraproduktiv zur gewünschten Transparenz und zur Vertrauensbildung.
Auf die Regelungen zur Vertraulichkeit soll hier nicht eingegangen werden. Auch wenn sie recht ausführlich sind, kann erwarten werden, dass es über die „Vertraulichkeit“ Debatten zwischen Antragstellern und Kommission kommen und Veröffentlichung im Register verzögern wird. Unstrittig ist aber, dass alle Informationen, die für die Risikobewertung unerlässlich sind, nie als vertraulich eingestuft werden können.
Die verstärkte Einbeziehung der Mitgliedsstaaten soll vornehmlich über den Verwaltungsrat, dem Management Board, geregelt werden. Übergeordnet werden Geschäftsführung und Aufgabenstellung der EFSA durch den Verwaltungsrat geleitet bzw. geregelt. Bislang umfasste der Verwaltungsrat 14 Mitglieder. Nun soll er auf 34 Mitglieder aufgestockt werden. Vertreter aus allen Mitgliedsstaaten sollten dem Verwaltungsrat angehören.
27 Mitglieder sollen von den Mitgliedsstaaten nominiert werden, wobei die Repräsentanten ausgewiesene Experten in der Risikobewertung sein sollten,
2 Mitglieder sollen die Kommission vertreten,
1 Mitglied soll vom EU-Parlament entsandt werden,
4 Mitglieder sollen die Interessen der Gesellschaft vertreten. Diese Mitglieder sollten einen Bezug zu den Belangen aus der gesamten Lebensmittelkette aufweisen. Ein Vertreter soll die Verbraucherorganisationen, ein Vertreter der Nichtregierungs-Umweltschutzorganisationen, ein Vertreter die Bauernverbände und ein Vertreter die Lebensmittelwirtschaft repräsentieren.
Alle 34 ernannten Mitglieder des Verwaltungsrates sind vollstimmberechtigt und die Entscheidungen sollen nach dem Mehrheitsprinzip getroffen werden. Der Kommission, die eine einzigartige Rolle im Risikomanagement der EU verkörpert, soll ein besonderes Stimmrecht in Bezug auf die Leitung der EFSA eingeräumt werden.
Mit der starken Erweiterung des Verwaltungsrates durch Vertreter aus den Mitgliedsstaaten soll einerseits eine unmittelbare und verbesserte Unterstützung der Arbeit der EFSA durch die Mitgliedsstaaten erreicht und andererseits der Informationsaustausch zwischen den nationalen Behörden / Agenturen mit der EFSA erleichtert und verstärkt werden.
Inwieweit hierdurch die Arbeit und Unterstützung der EFSA in der Risikobewertung durch die bereits bestehenden „Focal Points“ und dem Advisory Forum beeinflusst werden, ist noch unklar. Nach dem bisherigen Verständnis agieren die „Focal Points“ als ein Interface zwischen der EFSA und nationalen Behörden für die Lebensmittelsicherheit sowie zu Forschungseinrichtungen und Interessengruppen. Diese „Focal Points“ bestehen bereits in allen 28 Mitgliedsstaaten und dienen der wissenschaftlichen Zusammenarbeit dem „Networking“ zwischen den Mitgliedsstaaten und der EFSA durch
• Die Unterstützung im Austausch wissenschaftlicher Informationen und von Experten,
• Die Beratung zu Kooperationsaktivitäten und gemeinsamen wissenschaftlichen Projekten,
• Die Durchführung und Förderung von Schulungen zur Risikobewertung,
• Der Verbesserung der wissenschaftlichen „Sichtbarkeit“ und Reichweite der EFSA in den Mitgliedsstaaten [5].
Für die Mitarbeit in den wissenschaftlichen Gremien und Ausschüssen soll jeder Mitgliedsstaat mindestens 12 wissenschaftliche Experten nominierten. Hierdurch soll der Auswahlpool von in Wissenschaft und Risikobewertung ausgewiesenen und unabhängigen Experten erweitert werden. Die Berufung als Experte für die wissenschaftlichen Ausschüsse soll auf fünf Jahre erfolgen (bislang drei Jahre).
Die Mitgliedsstaaten (27 MS) sollen (können) wenigstens 324 Experten vorschlagen. Diese Anzahl deckt bereits weit mehr als die Gesamtzahl der vorgesehenen Mitglieder (max. 21 Experten in den einzelnen wissenschaftlichen Ausschüssen) für die wissenschaftlichen Ausschüsse ab. Unklar ist, ob die allgemeine öffentliche Ausschreibung für eine Interessensbekundung für die Mitarbeit in den wissenschaftlichen Ausschüssen erhalten / beibehalten bliebt und wie mit diesen Bewerbungen von Wissenschaftlern, die unabhängig von den Mitgliedsstaaten sind, umgegangen wird. Die Auswahlkriterien für beiden Experten (MS-Nominierte und Eigenbewerbung) sollen aber identisch sein und dem bislang praktizierten Verfahren entsprechen.
Die im Änderungsentwurf vorgesehenen Maßnahmen werden bereits aktiv von EFSA und Mitgliedsstaaten betrieben, aber offensichtlich sollen diese über den Verwaltungsrat institutionalisiert und dadurch ein stärkerer Einfluss der Mitgliedsstaaten auf die EFSA ermöglicht werden.
Umsetzung des Entwurfs
Der Vorschlag der EU-Kommission zur Transparenz und Nachhaltigkeit bei der Risikobewertung muss nun im Europäischen Parlament und in den Mitgliedsstaaten beraten und mit möglichen Änderungen angenommen werden. Der Zeitrahmen ist eng, denn die Neuwahl des Europäischen Parlamentes erfolgen steht an.