Europa-Kommission: Update Zeitraum August 2019 – Juli 2020 ► Deutschland: Update Zeitraum August 2019 - Juli 2020
„Dekret Nr. […] vom […] über die Änderung der Liste der Verfahren zur Gewinnung genetisch veränderter Organismen,die herkömmlich angewendet wurden, ohne nachweislich die öffentliche Gesundheit oder die Umwelt zu schädigen.“
1. Sie sammelt weiter Informationen über Anwendungen, Sicherheit, Regularien usw. von neuen molekularen Verfahren zuGen- und Genomveränderungen. Sie führt in diesem Zusammenhang zwei Befragungen durch und steht in engem Kontaktmit dem Europäischen Referenzlabor (ENGL) zur Prüfung der Möglichkeiten des Nachweises geneditierter Organismen unddaraus gewonnenen Erzeugnissen sowie mit der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) über Fragen derSicherheitsbewertung.
2. Die EU-Kommission hält an der bestehenden Regelung fest, da sie die Auffassung vertritt, die Regularien setzen bereits dasEuGH-Urteil hinreichend um und wahren das Vorsorgeprinzip. In diesem Zusammenhang kann vielleicht auch ihre Anfragean die EFSA verstanden werden ob die bestehenden Verfahren der Sicherheitsbewertung auch auf Pflanzen, die mit denneuen Züchtungsmethoden (hier: SDN-1, SDN-2 und ODM) erzeugt wurden, anwendbar sind.3. Die EU-Kommission erachtet eine Novellierung der Regularien für notwendig, da sie der Auffassung ist, dass die bestehendenRegularien an Stand von Wissenschaft und Technik angepasst und den weltweiten gesetzlichen Vorgaben einer weitgehendenDeregulierung von bestimmten Mutageneseverfahren Rechnung getragen werden sollten. Letzteres könnte in naher Zukunftdem weltweiten Handel dienlich sein und Konflikte mit der Welthandelsorganisatgion (WTO) vermeiden.
Befragung zum Status der neuen Züchtungsmethoden
Die EU-Kommission führt zwei Befragungen durch. Die eine Befragung richtet sich direkt an die Mitgliedsstaaten und die andere an ausgewählte Interessensvertreter, die direkt oder indirekt von den neuen Methoden für Genomveränderungen (Genome Editing) betroffen sein oder Interesse an den neuen Methoden haben könnten.
Beide Befragungen haben einen ähnlichen Aufbau und umfassen als Hauptabfragepunkte:
• Umsetzung und Durchsetzung der GVO-Gesetzgebung in Hinblick auf die neuen genomischen Techniken (NGTs)
• Informationen zur Forschung über NGT und NGT-Produkte
• Informationen über potenzielle Vorteile und Möglichkeiten von NGTs und NGT-Produkten
• Informationen über mögliche Herausforderungen und Bedenken in Bezug auf NGT und NGT-Produkte
• Sicherheit von NGTs und NGT-Produkten
• Ethische Aspekte von NGTs und NGT-Produkten
• Recht der Verbraucher auf Information/Freiheit der Wahl
► Fragebogen an die Mitgliedsstaaten: Questionnaire on new genomic techniques to contribute to the study requested by the
Council (Abgabefrist 15.01.2020)
► Fragebogen an die Interessensvertreter: Stakeholder consultation on new genomic techniques to contribute to a Commission
study requested by the Council (Abgabefrist 15.05.2020)
Über den Fortgang der Befragung und deren Ergebnissen wird die EU-Kommission demnächst
► hier
unterrichten.
Über die Antworten von Stakeholdern ist noch nichts für die Öffentlichkeit bekannt geworden. Im Internet wurden ► ein ausgefüllter Fragebogen aus dem Bereich der roten Gentechnik, der European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations (EFPIA) und
► einer
aus dem Bereich der grünen Gentechnik von der Wissenschaftsvereinigung European Plant Science Organisation (EPSO) gefunden.
Die möglichen Interessenvertreter wurden vornehmlich auf der übergeordneten europäischen Ebene ausgewählt. Wie die Auswahl erfolgte, ist nicht ganz klar, aber sie umfasst alle gesellschaftlichen Bereiche. Unter den ► 107 ausgewählten Interessenvertreter ist keine der etablierten nationalen Wissenschaftsorganisationen benannt. Die EU-Kommission hat aber Wissenschaftsorganisationen nicht ausklammert: Die Pflanzenforschung werden durch die European Plant Science Organisation (EPSO) und von der erst nach dem EuGH-Urteil gegründeten European Sustainable Agriculture Through Genome Editing (EU-SAGE) Vereinigung vertreten. Die Wissenschaft ist unabhängig und hat berechtigte Interessen an den neuen Methoden der Genomveränderung.
Die EU-Kommission muss (soll) bis 30. April 2021 einen Bericht über die Ergebnisse der Befragungen sowie über mögliche Maßnahmen, die sich aus ihnen ergeben, vorlegen (siehe Europäischer Rat). Die Befragungen sind grundsätzlich zu begrüßen. Inwieweit die EU-Kommission die Studienergebnisse aber tatsächlich beachtet, wird sich zeigen. Für den Zeitraum der Studie bedeutet es aber auch, dass die EU-Kommission keine weiteren Initiativen zur Regelung der neuen Methoden ergreifen wird und die Mitgliedsstaaten Zeit für weitere nationalen Diskussionen gewonnen haben.
Die Kommission hat nun (05.07.2021) die Ergebnisse der Befragungen veröffentlicht.
Stakeholders’ consultation
The EU Member States draft questionnaire was discussed, finalised and endorsed at a Joint Working Group of Member States GMO competent authorities held in Brussels on 15 January 2020. The final questionnaire was made available to the Member States via EUsurvey. The authorities were invited to consult further at national level in order to complement their replies.
The targeted stakeholder consultation involved EU-level stakeholder organisations that could be directly or indirectly impacted and/or have potential interest in NGTs (see list below). The questionnaire was discussed and finalised during a stakeholder meeting held in Brussels on 10 February 2020. The final questionnaire was made available to stakeholders via EUsurvey.
Anfragen an EFSA
Am 26.05.2020 beauftragte die EU-Kommission (DG-SANCO) die EFSA mit der Erstellung einer wissenschaftlichen Stellungnahme zu in vitro Mutagenesetechniken (Mandat-Nr. M-2020-014; “Scientific opinion on in vitro random mutagenesis techniques”).
Sie bittet die EFSA in ihrer Stellungnahme
● um eine detailliertere Beschreibung der in vivo und in vitro angewandten Zufallsmutagenesetechniken,
● um eine Beurteilung,
- ob die Arten der genetischen Veränderung, die durch zufällige Mutagenesetechniken induziert werden, je nachdem, ob die
Technik in vivo oder in vitr o angewandt wird, unterschiedlich sind,
- ob der molekulare Mechanismus, der den Techniken der zufälligen Mutagenese zugrunde liegt, je nachdem, ob die Techniken
in vivo oder in vitro angewendet werden, unterschiedlich sind,
- ob in vitro -Zufallsmutagenese-Techniken im Vergleich zu in vivo -Zufallsmutagenesetechniken als unterschiedliche
Techniken anzusehen sind oder ob sie im Gegenteil als Kontinuum zu betrachten sind.
Die Stellungnahme (EFSA Q-2020-00445) soll bis Ende September 2021 fertiggestellt werden. Diese Stellungnahme sollte abgewartet werden, bevor das französische Dekret in Kraft gesetzt wird.
Am 11.11.2021 wurde nun die Stellungnahme veröffentlicht:
EFSA GMO Panel (2021): In vivo and in vitro random mutagenesis techniques in plants. EFSA Journal19 (11): 6611, 30 pp.
https://doi.org/10.2903/j.efsa.2021.6611
https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/pdf/10.2903/j.efsa.2021.6611
Am 09.01.2020 beauftragte die EU-Kommission (DG-SANCO) die EFSA mit der Erstellung einer wissenschaftlichen Stellungnahme über gentechnisch veränderte Pflanzen, die mit Hilfe der neuen Methoden der Genomveränderung entwickelt wurden (Mandat-Nr. M-2020-0016; “Request for a scientific opinion on genetically modified plants developed through new genomic techniques”). Die Stellungnahme soll einen Überblick zum Status der neuen Techniken und zur Risikobewertung von Pflanzen geben, die durch die neuen Techniken erzeugt wurden. Unter neuen Techniken versteht hier die Kommission: „Techniken, die fähig sind, die genetische Information, das genetische Material eines Organismus zu verändern, die seit 2001 angewandt werden oder ab 2001 entwickelt wurden“. Für ihre Erarbeitung hat die EU-Kommission die Mitgliedsstaaten bzw. deren kompetenten Behörden um Unterstützung geben. Die Stellungnahme (EFSA Q-2020-00103) soll bis Oktober 2020 fertiggestellt werden.
Festzuhalten ist, dass die EU-Kommission als Stichtag für neue Technologien (NTBs) die Verabschiedung der Freisetzungsrichtlinie 2001/18/EC ansieht. Die Anfrage steht im direkten Zusammenhang mit dem Auftrag (EU) 2019/1904 des Europäischen Rats an die EU-Kommission.
Die EU-Kommission (DG-SANCO) beauftragte am 09.04.2019 die EFSA mit der Erstellung einer wissenschaftlichen Stellungnahme zu Pflanzen, die über SDN-1, SDN-2 und ODM-Verfahren entwickelt wurden (Mandat-Nr. M-2019-00297; “Request for a scientific opinion on plants developed using type 1 and type 2 Site-Directed Nucleases and Oligonucleotide Directed Mutagenesis”). Hier soll überprüft werden, inwieweit Verfahren der Sicherheitsbewertung für Pflanzen, die über Zinkfinger-Nukleasen-3 oder ähnlicher Verfahren (SDN-3) erzeugt wurden, auf durch SDN-1, SDN-2 oder ODM generierte Pflanzen anwendbar sind. Aufgrund der Bedeutung dieser Stellungnahme führt hier die EFSA eine öffentliche (schriftliche) Anhörung durch und beantragt, den Abgabetermin auf 30.10.2020) zu verlängern.
Stellungnahme: EFSA-Q-2019-00297: Scientific opinion on plants developed using type 1 and type 2 Site-Directed Nucleases and Oligonucleotide Directed Mutagenesis. (Termin: 30.04.2020).
Öffentliche Anhörung : ► EFSA-Q-2020-00098 : Applicability of the EFSA opinion on site-directed nucleases type 3 for the safety assessment of plants developed using site-directed nucleases type 1 and 2 and oligonucleotide-directed mutagenesis. (Termin: 30.10.2020, verlängert 04.06.2020)
Freie Übersetzung:
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) veröffentlichte ein wissenschaftliches Gutachten zur Risikobewertung von Pflanzen, die mit der Zinkfinger-Nuklease Typ 3-Technik (ZFN-3) und anderen ziel-gerichteten Nukleasen (SDN) mit ähnlicher Funktion entwickelt wurden und die gemeinsam als SDN-3 definiert werden (EFSA GMO-Gremium, 2012). Die Europäische Kommission (EK) ersuchte das EFSA-Gremium für genetisch veränderte Organismen (GMO-Gremium) zu beurteilen, ob Abschnitt 4 (Gefahrenidentifizierung) und die Schlussfolgerungen des Gutachtens zu SDN-3 für Pflanzen anwendbar sind, die durch SDN-1, SDN-2 und Oligonukleotid-gesteuerter Mutagenese (ODM) entwickelt wurden. Bei der Abgabe dieser Stellungnahme verglich das GMO-Gremium die Gefahren, die mit Pflanzen verbunden sind, die über SDN-1, SDN-2 und ODM erzeugt wurden, mit denen, die mit Pflanzen verbunden sind, die sowohl über SDN-3 als auch über konventionelle Züchtung gewonnen wurden. Das GVO-Gremium kam zu dem Schluss, dass im Gegensatz zu den SDN-3-Verfahren die Anwendung der SDN-1-, SDN-2- und ODM-Ansätze zur Veränderung der endogenen genomischen Sequenzen von Pflanzen ohne die Einfügung exogener DNA führt. Folglich sind die in Abschnitt 4 enthaltenen Überlegungen, die sich speziell auf das Vorhandensein eines Transgens beziehen und die Schlussfolgerungen des Gutachtens zu SDN-3 für Pflanzen, die über SDN-1-, SDN-2- und ODM-Ansätze gewonnen wurden, nicht relevant, wenn im Endprodukt keine Fremd-DNA vorhanden ist. Insgesamt identifizierte das GMO-Gremium im Vergleich zu SDN-3 und konventioneller Züchtung keine neuen Gefahren, die spezifisch mit der genomischen Veränderung verbunden sind, die über SDN-1, SDN-2 und ODM erzeugt wurde. Darüber hinaus ist das GMO-Gremium der Ansicht, dass die bestehenden Leitlinien für die Risikobewertung von Lebens- und Futtermitteln aus genetisch veränderten Pflanzen (EFSA GMO-Gremium, 2011) und die Leitlinien für die Umweltverträglichkeitsprüfung von genetisch veränderten Pflanzen (EFSA GMO-Gremium, 2010) ausreichend sind, aber nur teilweise auf Pflanzen angewendet werden können, die über SDN-1, SDN-2 und ODM erzeugt wurden. In der Tat sind die Anforderungen dieser Leitlinien, die mit dem Vorhandensein von Fremd-DNA verbunden sind, für die Risikobewertung von Pflanzen, die über SDN-1-, SDN-2- und ODM-Ansätze entwickelt wurden, nicht relevant, wenn das Genom des Endprodukts keine exogene DNA enthält.
► Then C. and Bauer-Panskus A. (2020): Comment on EFSA draft document on risk assessment of plants developed with Type 1(SDN-1) and Type 2 (SDN-2) site-directed nucleases and oligonucleotide directed mutagenesis (ODM)Vollständiger Text: https://www.testbiotech.org/sites/default/files/TBT_Background_on_SDN_Consultation.pdf
Der Wissenschaftlerkreis Grüne Gentechnik unterstützt die Ausführungen und Schlussfolgerungen des EFSA-GMO-Gremiums. Pflanzen, deren genetische Information durch SDN-1, SDN-2, oder ODM-Verfahren modifiziert wurde, beinhalten keine fundamental neuen Risiken für Mensch und Umwelt. Die Gefährdungspotentiale unterscheiden sich nicht von denen, die durch SDN-3 generierte Pflanzen entstehen können. Die bisherigen Bewertungsverfahren können daher in einer Fall-zu Fall Entscheidung angewandt und sollten aber in Einzelfällen modifiziert werden.
► Anmerkungen 25.05.2020: Wissenschaftlerkreis Grüne Gentechnik e.V. (WGG)
Anfragen an das Europäische Referenzlabor (ENGL)
Ein eindeutiges Nachweisverfahren ist unter anderem eine der Voraussetzung für Zulassung von Organismen und daraus hergestellter Erzeugnisse, die nach der GVO-Gesetzgebung reguliert werden. Zusätzlich ermöglicht es die Rückverfolgbarkeit und die Überprüfung einer ordnungsgemäßen Kennzeichnung. Da das Ergebnis der durch die neuen Verfahren erzeugten Veränderungen oft identisch ist mit Mutationen, die spontan in der Natur entstehen, ist es nahezu unmöglich von dem Nachweis einer solchen Veränderung auf die Art ihrer Entstehung zu schließen. Deshalb beauftrage die EU-Kommission im Oktober 2018 das Europäische Referenzlabor mit der Prüfung und wenn möglich mit der Ausarbeitung von Methoden zum Nachweis genomeditierter Pflanzen. Ende März 2019 legte das ENGL ihren ► Bericht “Detection of food and feed plant products obtained by new mutagenesis techniques” vor.
Kernaussagen sind, dass
• Änderungen auf der DNA-Ebene nachgewiesen werden können, aber es keinen eindeutigen Nachweis gibt wie diese Änderung
entstanden ist,
• für nicht eindeutige DNA-Änderungen, die ein oder wenige DNA-Basenpaare betreffen, ein Antragsteller möglicherweise keine ereignisspezifische Methode entwickeln kann,
• durch Genom-Editing gewonnene Pflanzenprodukte unerkannt auf den Markt gelangen können. Wenn ein Produkt mit einer
unbekannten oder nicht eindeutigen DNA-Änderung auf dem EU-Markt entdeckt würde, wäre es außerdem schwierig oder
sogar unmöglich einen Beweis vorzulegen, dass die geänderte Sequenz aus der Bearbeitung von Genomen stammt.
Dies bedeutet, dass die aktuelle Gentechnikgesetzgebung zur Kennzeichnung durch Kontrollen nicht durchgesetzt werden kann. Der nicht rechtssichere Nachweis wie die genetische Veränderung herbeigeführt wurde, erschwert Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit . Dies wird zu Verwerfungen im internationalen Warenverkehr führen.
Deutschland hat hierzu entsprechend dem Koalitionsvertrag keine eigene abgestimmte Meinung und hat sich deshalb der Abstimmung enthalten. Allerdings stünde nach Aussagen des damaligen Agrarstaatssekretär Aeikens Deutschland einer Diskussion in Sachen Gentechnikrecht offen gegenüber. Unklar bleibt jedoch, ob Deutschland aufgrund der konträren Meinungen der Ministerin für Landwirtschaft und der von Ministerin für Umwelt tatsächlich aktiv und konstruktiv mit Vorschlägen bei der EU-Kommission vorstellig werden kann.
Unter der finnischen Ratspräsidentschaft hat der Europäische Rat aufbauend auf den Diskussionen und der Entscheidung im Agrarrat am 08.11.2019 den ► Beschluss (EU) 2019/1904 eingebracht, dass die EU-Kommission eine Studie erstellen soll, welche die Möglichkeiten einer Änderung der Freisetzungsrichtlinie 2001/18/EU und den daraus resultierenden Auswirkungen auf Ökonomie und Ökologie untersuchen soll. Die EU-Kommission hat den Beschluss umgesetzt (siehe oben "Befragung zum Status der neuen Züchtungsmethoden").
bgf-Jany 07-2022