Teil 4 - Trilog-Verfahren

             Neue genomische Techniken – Genomeditierung - Quo vadis


                Der lange Weg durch die Instanzen in der Europäischen Union      Teil 4


    Die Debatten bis zum Trilog-Verfahren

Verfahren zur Gesetzgebung

 

Das ordentliche Verfahren der Gesetzgebung in der Europäischen Union ist komplex. Das Vorschlagsrecht liegt ausschließlich bei der Kommission. Allerdings können das EU-Parlament und der Rat der Europäischen Union der Kommission Vorschläge für eine Gesetzesinitiative unterbreiten.

 

Die wichtigsten Schritte:

Die Europäische Kommission unterbreitet dem Europäischen Parlament und dem Rat der Europäischen Union einen Vorschlag.


Der Rat und das Parlament nehmen einen Gesetzgebungsvorschlag entweder in erster oder in zweiter Lesung an.


Erzielen beide Organe in zweiter Lesung keine Einigung, wird ein Vermittlungsausschuss einberufen.

Ist die vom Vermittlungsausschuss vereinbarte Fassung in dritter Lesung für beide Organe annehmbar, wird der Rechtsakt erlassen.

 

Wird ein Gesetzgebungsvorschlag zu einem beliebigen Zeitpunkt des Verfahrens abgelehnt oder können das Parlament und der Rat keinen Kompromiss erzielen, so wird der Vorschlag nicht als Rechtsakt erlassen und das Verfahren endet.

                     modifiziert nach ILIAS: https://service.destatis.de/eLearning/modul6/fullscreen_839.html


Das Gesetzgebungsverfahren kann in 4 Phasen gegliedert werden:

  • Phase 1: Vorschlag der Kommission
  • Phase 2: Beratungen im EU-Parlament
  • Phase 3: Beratungen im Rat der Europäischen Union
  • Phase 4: Zusammenführen der Ergebnisse aus den jeweiligen Beratungen


Literatur:


Das ordentliche Gesetzgebungsverfahren

https://www.consilium.europa.eu/de/council-eu/decision-making/ordinary-legislative-procedure/

 

Guide to the ordinary legislative procedure

https://op.europa.eu/en/publication-detail/-/publication/fccde0b0-23cc-11e6-86d0-01aa75ed71a1/ 


Phase 1: EU-Kommission



In Sachen Regulierung der neuen genomischen Techniken hat die Kommission die ersten Schritte abgeschlossen. Sie hat die notwendigen ► Konsultationen durchgeführt (2021 – 2022) und am 05. Juli 2023 einen ► Vorschlag für eine Verordnung (COM) 2023 411 final vorgelegt. Inhalte des Kommissionsvorschlages „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über mit bestimmten neuen genomischen Techniken gewonnene Pflanzen und die aus ihnen gewonnenen Lebens- und Futtermittel sowie zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/625“ können ► hier eingesehen werden.


Der Kommissionsvorschlag muss nun jeweils vom Parlament und Rat der Europäischen Union (EU-Rat) diskutiert werden und beide Institutionen müssen eine Stellungnahme – ihren Standpunkt - abgeben. Beratend werden der Ausschuss der Regionen, der Wirtschafts- und Sozialausschuss hinzugezogen. Für das Parlament bereiten der Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung (AGRI) sowie der Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI) die Stellungnahme vor. Der ENVI ist hier federführend. Für die Annahme der Stellungnahme ist im EU-Parlament eine einfache Mehrheit notwendig, während im EU-Rat eine qualifizierte Mehrheit erforderlich ist. (► qualifizierte Mehrheit: Stimmen müssen 55% der Mitgliedsstaaten und mindestens 65% der EU-Bevölkerung entsprechen) Erst wenn Parlament und Rat jeweils ihre Stellungnahme abgegeben haben, kann es im Gesetzgebungsverfahren weitergehen; es beginnt das Trilog-Verfahren. 

Phase 2: EU-Parlament und Ausschüsse 

Mittwoch, 24.4.2024:  1. Lesung und Abstimmung zum Kommissionsvorschlag zur Regulierung

genomeditierter Pflanzen im EU-Parlament (► Legislative Entschließung)

 

► Abstimmung:: 336 Ja-, 238 Nein-Stimmen und 41 Enthaltungen 

Das EU-Parlament hat in 1. Lesung über den Kommissionsvorschlag zur Regulierung gewisser genomeditierter Pflanzen abgestimmt. Neue Änderungsanträge konnten nicht eingebracht werden. Die Mehrheit der Parlamentarier hat sich durch den ANSES-Report und den ungelösten Fragen zur Patentierbarkeit von NGT-Pflanzen nicht beirren lassen und sich wieder für eine evidenzbasierte Regelung ausgesprochen.


Der Parlamentsvorschlag - dieser Standpunkt - dient nun als Grundlage für das weitere Vorgehen im Trilog-Verfahren nach den Parlamentswahlen. Das neue Parlament ist nicht vollständig an den Vorschlag gebunden; es kann neue Änderungsvorschläge einbringen.

 

Am gleichen Tag stimmte das Parlament auch mehrheitlich für eine Reform der EU-Saatgutverordnung (431 Ja-, 104 Nein-Stimmen, 82 Enthaltungen)


 

Das EU-Parlament stimmt nach der Diskussionsrunde am 06.02.2024 über den ► Kommissionsvorschlag mit den Änderungen aus den Ausschüssen ab. ► Abstimmung: Mittwoch, 07.02.2024: 307 Stimmen für eine Reform, 263 dagegen, 41 Enthaltungen

 

Ziel ist es, das Lebensmittelsystem nachhaltiger und widerstandsfähiger zu machen, indem verbesserte Pflanzensorten entwickelt werden, die klima- und schädlingsresistent sind, höhere Erträge liefern oder weniger Düngemittel und Pestizide benötigen. Allerdings wird eine Kennzeichnung von NGT-Pflanzen und deren Produkte gefordert und eine Patentierung von NGT-Pflanzen soll ausgeschlossen werden. Das EU-Parlament hat seinen Standpunkt für das Trilog-Verfahren dargelegt.  


AGRI-Ausschuss: 11.12.2023



Der Agrarausschuss (AGRI) debattiert und stimmt über den mit vielen ► Änderungen versehenen Kommissionsvorschlag ab.

► Abstimmung: 34 Stimmen für den geänderten Vorschlag, 10 dagegen, 1 Enthaltung

 


ENVI-Ausschuss: 24.01.2024


Debatte und Abstimmung über den ► Kommissionsvorschlag mit den entsprechenden Änderungen .

► Abstimmung: 47 Stimmen für eine Reform, 31 dagegen, 4 Enthaltungen

 

Der ENVI behält die Untergliederung der NGT-Pflanzen in zwei Kategorien unter den beschriebenen Kriterien bei, insbesondere die Unterwerfung von NGT-2-Pflanzen unter das bestehende Gentechnikrecht. Ein Verbot der Patentierung aller NGT-Pflanzen wird gefordert.



Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss

 

Auf seiner Plenarsitzung (25.10. - 26.10.2023) verabschiedet der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) seine ► Stellungnahme NAT/908 zum Kommissionsentwurf über die neuen genomischen Techniken (NGT).  Abstimmung: 26.10.2023 168 Ja-Stimmen, 48 Nein-Stimmen und 15 Enthaltungen

 

Anders als die anderen Ausschüsse fügt der EWSA keine Änderungen in den Vorschlagstext ein, sondern stellt seine Anmerkungen in „Schlussfolgerungen und Empfehlungen“, „Allgemeine Bemerkungen“ sowie „Besondere Bemerkungen“ zusammen.

 

Unter „Besondere Bemerkungen“ verweist er auf vier Punkte:

 

Der EWSA empfiehlt, zehn Jahre nach der Einführung der neuen Verfahren eine Nutzen-Risiko-Analyse durchzuführen.

 

Der EWSA betont, dass Verbesserungen bei den ethischen Aspekten erforderlich sind.

 

Der EWSA weist auf den komplexen und technischen Charakter in der Frage einer allgemeinen Sicherheit hin.

 

Der EWSA warnt vor Vereinfachungen, die nicht der Realität entsprechen.

 


Phase 2 ist zunächst als abgeschlossen anzusehen.

 


Europäischer Ausschuss der Regionen


Der Ausschuss der Regionen verabschiedet auf der 160. Plenartagung (17.04 - 18.04.2024) seine ► Stellungnahme NAT-VII/038 zu den geplanten Verordnungen über die neuen genomische Techniken (NGT)und über das Pflanzen-vermehrungsmaterial. Sie enthält 80 Änderungsvorschläge zu den NGT, 33 zum Pflanzenvermehrungsmaterial sowie 29 politische Handlungsempfehlungen.

 

Für alle NGT-Pflanzen wird ein Verbot der Patentierbarkeit, eine Risikobewertung, ein Zulassungsverfahren und eine vollkommende Transparenz entlang der Lebensmittelkette u.v.m. gefordert. Der vollständige Forderungskatalog ist ► hier einsehbar.



Phase 3: Rat der Europäischen Union: AGRIFISH


Die Ratspräsidentschaften:


 Spanien:      01.07.2023 – 31.12.2023     keine Stellungnahme    keinen gemeinsamen Standpunkt gefunden

 Belgien:       01.01.2024 – 30.06.2024     keine Stellungnahme    keinen gemeinsamen Standpunkt gefunden

 Ungarn:       01.07.2024 – 31.12.2024

 Polen:         01.01.2025 – 30.06.2025

         Dänemark:  01.07.2025 – 31.12.2025

 

Zu den Aktivitäten der Ratspräsidentschaften siehe auch ► NGT-Debatten



Bislang hat noch keine offizielle Abstimmung zu dem Kommissionsvorschlag stattgefunden. Lediglich unter der spanischen Ratspräsidentschaft fand auf der Sitzung am 11./12. Dezember 2023 eine Befragung zu dem möglichen Verhalten der Mitgliedsstaaten bei einer Abstimmung über einen ► modifizierten Kommissionsvorschlag statt. 15 Mitgliedsstaaten würden den Vorschlag befürworten, 8 ablehnen und 4 sich enthalten. Die Mehrheit der Mitgliedsstaaten ist für den Vorschlag, aber die Bevölkerung der zustimmenden Mitgliedsstaaten entspricht nicht den geforderten 65 %. Der Vorschlag hätte somit nicht die qualifizierte Mehrheit erhalten.


     Meinungsbild / Abstimmungsverhalten der Mitgliedsstaaten über den Kommissionsvorschlag zu den NGT-Pflanzen

Strittig sind vor allem die Themen um Patente von NGT-Pflanzen, Unterscheidungskriterien von NGT-1- und NGT-2-Pflanzen, Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit, opt-out Möglichkeiten sowie zum Schutz der ökologischen Landwirtschaft.

 


Die belgische Ratspräsidentschaft hat im Mai 2024 einen neuen, leicht modifizierten ► Kompromisstext vorgelegt. Im neuen Text wurde die Patentierbarkeit aufgegriffen, die nach dem Willen mehrerer Mitgliedstaaten für NGT-Pflanzen ausgeschlossen werden soll. Trotz des neuen Kompromisstextes konnten sich auch diesmal die nationalen Experten der Europäischen Union nicht einigen. Bei einer Abstimmung wären wiederum die Mitgliedsstaaten Kroatien, Österreich, Polen, Österreich, Rumänien, Slowakei, Slowenien gegen den Kompromissvorschlag. Enthalten würden sich Belgien, Bulgarien und Deutschland. Abweichend zu der Befragung vom 11.12.2023 würde möglicherweise Griechenland dem Vorschlag zustimmen und Luxemburg befürwortet ihn. Alle anderen Länder bleiben bei einer Zustimmung. Bei einer Abstimmung wurde der Kompromissvorschlag keine qualifizierte Mehrheit erhalten. Weitere Beratungen im Juni (26.06.2024) über den Vorschlag wurden abgesagt. Ab 01.Juli 2024 übernimmt Ungarn der Ratsvorsitz. 


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