Frankreich muss das ► EuGH-Urteil zu den Mutageneseverfahren (C-528/16) vom 25.07.2018 umsetzen und hat mit der ► Entscheidung vom 07.02.2020 des Staatsrates, dem obersten Verwaltungsgericht den Anfang gemacht, indem er einerseits eine Differenzierung zwischen in-vivo und in-vitro-Zufallsmutagenesen vornahm und eine umfassende Bewertung von potenziellen Risiken für Mensch und Umwelt von in-vitro Zufallsmutagenese gewonnenen herbizid-tolerante Pflanzen anordnete. Bei der Bewertung sollen auch Anbauvoraussetzungen für solche Pflanzen definiert werden, die die Verwendung von Herbiziden reduzieren. Nach der Entscheidung des Staatsrates sollen Pflanzen, die durch in-vitro-Zufallsmutagenese gewonnen wurden, als gentechnisch veränderte eingestuft werden und die Gesetze entsprechend geändert werden. Für die Gesetzesänderung wurde die Einleitung eines Notifizierungsverfahren notwendig, das Frankreich mit den ► Verfahren 2020/280/F eingeleitet hat. Das Notifizierungsverfahren ruht zurzeit und die französische Regierung konnte das Gesetz bislang nicht ändern. Ebenso hat die Regierung den geforderten Bericht zur Risikobewertung herbizid-toleranter Pflanzen bislang nicht erstellt.
Gegen diese Versäumnisse haben die Verbände Klage beim Staatsrat erhoben und der Staatsrat hat ► in seinem Urteil vom 08.11.2021 entschieden, dass,
● die Vollstreckung der Artikel 2 und 3 des Beschlusses vom 7. Februar 2020 ausgesetzt und der EuGH um
eine Entscheidung zur gentechnikrechtlichen Einordnung von Pflanzen, die durch in-vivo und in-vitro-
Zufallsmutagenesen erzeugt wurden, angerufen wird.
Folgende Fragen soll der EuGH klären:
Ist bei der Unterscheidung zwischen Mutagenesetechniken/-methoden, die traditionell für verschiedene Anwendungen verwendet werden und deren Sicherheit seit Langem erwiesen ist, im Sinne des Urteils des Gerichtshofs vom 25. Juli 2018 nur die Art und Weise zu berücksichtigen, in der das Mutagen das genetische Material des Organismus verändert, oder muss auch die Gesamtheit der durch das angewandte Verfahren hervorgerufenen Variationen des Organismus, einschließlich somaklonaler Variationen, die die menschliche Gesundheit und die Umwelt beeinträchtigen können, berücksichtigt werden.
Ist bei der Feststellung, ob eine Mutagenesetechnik/-methode traditionell für verschiedene Anwendungen verwendet wurde und deren Sicherheit seit Langem erwiesen ist, nur der Freilandanbau der mit dieser Methode/Technik gewonnenen Organismen zu berücksichtigen, oder können auch Forschungsarbeiten und -veröffentlichungen berücksichtigt werden, die sich nicht auf diesen Anbau beziehen, und ob bei diesen Arbeiten und Veröffentlichungen nur diejenigen zu berücksichtigen sind, die sich auf die Risiken für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt beziehen'
● der Landwirtschaftsminister innerhalb von drei Monaten einen Aktionsplan zu erstellen hat, in dem die
Maßnahmen festgelegt werden, die für die Bewertung der Risiken von herbizid-toleranten Pflanzen für die
menschliche Gesundheit und die aquatische Umwelt ausgehen, notwendig sind.
● ein Zwangsgeld in Höhe von 100 000 Euro pro Halbjahr zu zahlen ist, falls die Frist nicht eingehalten wird
● der Premierminister innerhalb von drei Monaten, das Verfahren einzuleiten hat, in dem geeignete
Anbaubedingungen für aus Mutageneseverfahren hervorgegangenen herbizid-toleranten Pflanzen
vorgeschrieben werden.
● ein Zwangsgeld in Höhe von 500 Euro pro Tag der Verspätung droht, falls die Frist nicht eingehalten wird.
Die beiden Fragen beinhalten erheblichen "Sprengstoff" zumal der Hohe Rat für Biotechnologie und die EFSA bereits ihre Stellungnahmen zu möglichen Unterschieden der beiden Verfahren auf der genetischen Ebene abgegeben haben. Beide kompetenten Behörden haben hier keine Unterschiede feststellen können, gleich ob die Mutageneseverfahren in-vivo oder in vitro durchgeführt werden.