Im Auftrag der EU-Kommission und im Zusammenhang einer möglichen Überarbeitung des Gentechnikrechtes hat die EFSA Vorschläge (Kriterien) zur Risikobewertung genomeditierter Pflanzen aus gezielter Mutagenese, Cisgenese und Intragenese gemacht
GMO-Panel (2022): Criteria for risk assessment of plants produced by targeted mutagenesis, cisgenesis
and intragenesis.
EFSA Journal;20 (10): 7618 | DOI: https://doi.org/10.2903/j.efsa.2022.7618
https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.2903/j.efsa.2022.7618
Abstracts:
EFSA was asked by the European Commission to develop criteria as advice for consideration for the risk assessment of plants produced by targeted mutagenesis, cisgenesis and intragenesis. EFSA proposes in this statement six main criteria to assist the risk assessment of these plants. The first four criteria are related to the molecular characterisation of the genetic modification introduced in the recipient plant. The four criteria evaluate whether any exogenous DNA sequence(s) is/are present (Criterion 1), whether such sequence derives from the breeders' gene pool (Criterion 2), the type of integration (Criterion 3) and whether any endogenous plant gene is interrupted (Criterion 4). Depending on the evaluation of the above criteria, the product can be a genome edited plant where no exogenous DNA sequence is present, or a cisgenic or intragenic plant where the cisgenic and intragenic sequence are introduced by targeted insertion and no plant endogenous genes are interrupted. In these cases, two more criteria are assessed to evaluate the history of safe use (Criterion 5) and the structure and function of the new allele (Criterion 6). If cisgenic and intragenic sequence are introduced by random integration without interruption of an endogenous gene, or when no risk is identified when an endogenous gene is interrupted, the criteria 5 and 6 will also be assessed. Evaluating the history of safe use is an important part of the proportionate risk assessment of cisgenic, intragenic and genome‐edited plants since the newly introduced allele may already be present in nature. However, when the history of safe use cannot be sufficiently demonstrated, the function and structure of the introduced allele should be carefully assessed. Recommendations are also included on the aspects that need further elaboration for full applicability of the criteria proposed herein are also included.Neuer Text
Abstrakt:
Die EFSA wurde von der Europäischen Kommission gebeten, Kriterien zu entwickeln, die bei der Risikobewertung von Pflanzen, die durch gezielte Mutagenese, Cisgenese und Intragenese erzeugt werden, zu berücksichtigen sind. In dieser Stellungnahme schlägt die EFSA sechs Hauptkriterien vor, die die Risikobewertung dieser Pflanzen unterstützen sollen. Die ersten vier Kriterien beziehen sich auf die molekulare Charakterisierung der in die Empfängerpflanze eingeführten genetischen Veränderung. Die vier Kriterien bewerten, ob exogene DNA-Sequenz(en) vorhanden ist/sind (Kriterium 1), ob diese Sequenz aus dem Genpool der Züchter stammt (Kriterium 2), die Art der Integration (Kriterium 3) und ob ein endogenes Pflanzengen unterbrochen wird (Kriterium 4). Je nach Bewertung der oben genannten Kriterien kann es sich bei dem Produkt um eine genome-editierte Pflanze handeln, bei der keine exogene DNA-Sequenz vorhanden ist, oder um eine cisgene oder intragene Pflanze, bei der die cisgene und die intragene Sequenz durch gezielte Insertion eingeführt werden und keine endogenen Pflanzengene unterbrochen werden. In diesen Fällen werden zwei weitere Kriterien geprüft, um die sichere Verwendung in der Vergangenheit (Kriterium 5) sowie die Struktur und Funktion des neuen Allels (Kriterium 6) zu bewerten. Werden cisgene und intragene Sequenzen durch zufällige Integration ohne Unterbrechung eines endogenen Gens eingeführt oder wird bei Unterbrechung eines endogenen Gens kein Risiko festgestellt, werden auch die Kriterien 5 und 6 bewertet. Die Bewertung der sicheren Verwendung in der Vergangenheit ist ein wichtiger Bestandteil der verhältnismäßigen Risikobewertung von cisgenen, intragenen und genom-editierten Pflanzen, da das neu eingeführte Allel in der Natur bereits vorhanden sein kann. Wenn jedoch die sichere Verwendung in der Vergangenheit nicht ausreichend nachgewiesen werden kann, sollten die Funktion und die Struktur des eingeführten Allels sorgfältig bewertet werden. Es werden auch Empfehlungen zu den Aspekten gegeben, die einer weiteren Ausarbeitung bedürfen, damit die hier vorgeschlagenen Kriterien in vollem Umfang angewandt werden können.
Im Gesamtzusammenhang muss hier auch aufgeführt werden:
EFSA-FAQ (2022): Criteria for risk assessment of plants produced by targeted mutagenesis, cisgenesis and intragenesis
Zum besseren Verständnis werden Erläuterungen /Definitionen von Begriffen gegeben, wie sie die EFSA versteht und für ihre Stellungnahme nutzt:
Genpool der Züchter:
Die Quellen von Genen/Allelen, die für die konventionelle Pflanzenzucht zur Verfügung stehen, werden als "Genpool der Züchter" bezeichnet. Die Züchter unterscheiden zwischen primären, sekundären und tertiären Genpools. Jeder primäre Genpool umfasst eine kultivierte Art und andere taxonomischen Arten, mit denen sie sich frei kreuzen kann. Der sekundäre Genpool umfasst Arten, die nur schwer mit einem Mitglied des primären Genpools gekreuzt werden können, aber die aber zumindest einige fruchtbare Hybriden hervorbringen. Der tertiäre Genpool umfasst diejenigen Arten die mit einem Mitglied des primären Genpools entfernter verwandt sind, sich aber nur mit Hilfe fortgeschrittener Techniken nur durch fortgeschrittene Techniken wie Embryonenrettung, induzierte Polyploidie und Brückenkreuzungen Kreuzungen. Die Züchter erweitern den tertiären Genpool kontinuierlich und werden dies auch in Zukunft fortsetzen.
Gezielte Mutagenese:
Ein Oberbegriff, der verwendet wird, um Techniken zu beschreiben, die bestimmte Mutationen an ausgewählten Zielorten des Genoms induzieren. Die Veränderungen treten ohne das Einfügen von genetischem Material auf.
Cisgenese:
Eine genetische Veränderung, bei der genetisches Material aus dem Genpool des Züchters gewonnen Genpool der Züchter stammt und mit Hilfe verschiedener Übertragungsstrategien auf den Wirt übertragen wird; die eingebrachten Sequenzen enthalten eine exakte Kopie einer Sequenz, die bereits im Genpool des Züchters vorhanden ist.
Intragenese:
Eine genetische Veränderung, bei der genetisches Material aus dem Genpool des Züchters stammt und mit Hilfe verschiedener Übertragungsstrategien in den Wirt übertragen wird; die inkorporierten Sequenzen enthalten eine neu arrangierte Kopie von Sequenzen, die bereits im Genpool des Züchters vorhanden sind.
Exogene DNA-Sequenz:
DNA, die auf beliebige Weise außerhalb des Zielorganismus Organismus hergestellt wurde (Anhang IA Teil 1 der Richtlinie 2001/18/EG10).
Oligonukleotid-gerichtete Mutagenese:
Abgekürzt ODM, ein Ansatz, der auf der Verwendung von Oligonukleotiden zur Einführung gezielter Mutationen in das Genom beruht, in der Regel an einem oder wenigen benachbarten Nukleotiden. Zu den genetischen Veränderungen, die sich mit ODM erzielt werden können, umfassen Substitutionen, Insertionen oder Deletionen
Ortsgerichtete Nuklease:
Abgekürzt SDN, ein Enzym, das eine bestimmte Sequenz erkennt und die DNA spaltet, wodurch in der Regel ein Doppelstrangbruch entsteht Drei Arten von SDN-Ansätzen können verwendet werden:
SDN-1: Die ortsgerichtete Nuklease Typ 1 führt zufällige Mutationen (Substitutionen, Insertionen und Deletionen) an der genomischen Stelle der Zielpflanze ein.
SDN-2: Die ortsgerichtete Nuklease vom Typ 2 verwendet eine DNA-Vorlage, um eine vorhergesagte Veränderung (d. h. eine beabsichtigte Sequenzänderung) an der genomischen Zielstelle der Pflanze zu erzeugen.
SDN-3: Die ortsgerichtete Nuklease vom Typ 3 führt einen großen Abschnitt der Spender-DNA (bis zu mehreren Kilobasen) in einen vordefinierten genomischen Locus ein.
Die Risikoanalyse / Sicherheitsbewertung soll primär an Hand von sechs Kriterien bzw. sechs Fragestellungen durchgeführt werden.
Frage 1 / Kriterium 1: Enthält die gentechnisch veränderte Pflanze exogene DNA (-sequenzen)?
Frage 2 / Kriterium 2: Stammt die exogene DNA (-sequenz) aus dem Genpool von Pflanzen, die Züchter nutzen?
Frage 3 / Kriterium 3: Mit welchem Verfahren wurde die exogene DNA (-sequenz) in die Empfängerpflanze integriert?
Frage 4 / Kriterium 4: Erfolgte die Integration der exogenen DNA (-sequenz) in ein endogenes Gen?
Frage 5 / Kriterium 5: Besitzt die Pflanze (bzw. Teile davon) eine Geschichte des sichern Gebrauchs als Lebens- und Futtermittel (History of use) ?
Frage 6 / Kriterium 6: Welche Funktionalität besitzt die exogene DNA, das exogene Allel?
Frage 1 ob die gentechnisch veränderte Pflanze exogene DNA enthält, könnte leicht vermuten lassen, dass die EFSA solche Pflanzen bereits als zu regulierend und zu bewertend einstuft. Aber nach dem EuGH-Urteil (C-528/16) führt jede von Menschenhand ausgelöste Mutation grundsätzlich zu einem GVO. In diesem Bezug ist die Frage zur gentechnisch veränderten Pflanze nachvollziehbar und stellt keine vorgezogene Einordnung dar.
Die Fragen 1- 4 nehmen Bezug auf die gentechnische Veränderung der Empfängerpflanzen und die Herkunft der exogenen DNA. Enthält die Empfängerpflanze keine exogene DNA, vergleichbar natürlicher und induzierter Mutationen, führt dies einer SDN-1 / SDN-2 genomeditierter Pflanze und direkt zu den Fragen 5 und 6.
Mit Frage 2 wird die Herkunft der integrierten DNA (Gen /Allel) abgeklärt. Stammt die DNA aus dem natürlichen Genpool der Züchter handelt es sich um eine cis- oder intragene Pflanze. Stammt die DNA jedoch nicht aus dem natürlichen Genpool der Züchter ist die Empfängerpflanze eine transgene Pflanze.
Frage 3 beleuchtet das (die) Verfahren der Integration des neuen Gens / Allels in die Empfängerpflanze. Hierbei wird zwischen Verfahren der zufälligen und gezielten Integration (SDN-3) unterschieden und dies führt zu Frage 4.
Bei einer gezielten Integration kann dann gleich zu den Fragen 5 und 6 weitergehen. Bei den zufälligen Verfahren kann das neue Gen /Allel auch in ein endogenes Gen integriert werden und hierdurch zu zusätzlichen unerwarteten Effekten in der Empfängerpflanzen führen. Daher wird eine (Risiko-) Bewertung der Auswirkung(en) der Integration notwendig. Kann kein Risiko festgestellt werden, so kann auch hier gleich mit den Fragen 5 und 6 weitergearbeitet werden. Wird dagegen ein Risiko identifiziert, muss dies einer besonderen Sicherheitsbewertung unterzogen werden.
Fragen 5 und 6 sind die Kernpunkte für die Risikobewertung von Pflanzen, die aus gezielter Mutagenese (SDN-1 /SDN-2), Cisgenese oder Intragenese hervorgegangen sind.
Frage 5 bezieht sich auf den (sicheren) Umgang/Gebrauch der DNA-Spenderpflanze bzw. der Pflanze, die SDN-1 /SDN-2 genomeditiert wurde, für der Ernährung von Mensch und Tier sowie für die Umwelt. („history of save use“ und „familiarity“). Die Empfängerpflanze kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt zwar nie eine „history of use“ haben, aber aus dem Vergleich beider Pflanzen können hinreichende Schlüsse auf die Sicherheit der Empfängerpflanze gezogen werden. Dies bezieht sich sowohl auf das Gen /Allel als auch auf die ausgeprägten Eigenschaften der Pflanze.
Kann der sichere Umgang - „history of use“ / familarity“ – nicht oder nur unzureichend festgestellt werden, ist Frage 6 anzuwenden, und zwar zu funktionellen und strukturellen Aspekte des eingeführten Gens /Allels. Hierbei soll im Vergleich zum ursprünglichen Gen / Allel geprüft werden, ob
Dies sind nur beispielhafte Vorschläge der EFSA, aber hierauf können leicht umfassende molekularbiologische und stoffanalytische Analysen aufgebaut werden, deren Ergebnisse dann zu bewerten sind. Der Weg zu dem Verfahren wie bei transgenen Pflanzen ist nicht weit!
Betrachtet man die genomeditierten Pflanzen, die in der Entwicklung stehen oder bereits die Marktreife erlangt haben, kann davon ausgegangen werden, dass für diese Pflanzen eine Geschichte des sichern Umgangs (history of safe use) abgeleitet werden kann.
Nach Auffassung der EFSA kann sicherlich die Herleitung des sicheren Umgangs als Prinzips der Sicherheitsbewertung von genomeditierten Pflanzen genutzt und angewandt werden. Daher empfiehlt die EFSA auch der Kommission eine Definition für die Geschichte des sicheren Gebrauchs (history of save use“) abzuleiten und ihre Anwendung für die Sicherheitsbewertung zu unterstützen.
Nicht im Aufgabenbereich des EFSA lag es bei dieser Stellungnahme, sich darüber zu äußern, wie die Kommission mit genomeditierten Pflanzen umgehen soll, bei denen eine Geschichte des sicheren Gebrauchs festgestellt wurde und die auch auf traditionellen Züchtungswegen gewonnen werden könnten.
Ebenso sollte in dieser Stellungnahme kein Leitfaden für die Einreichung von Anträgen zur Sicherheitsbewertung von genomeditierten Pflanzen entwickelt werden. Alle Vorschläge sind als Empfehlungen der EFSA zu betrachten.
Konzept der "History of Safe Use"
GMO Panel (2012): Scientific opinion addressing the safety assessment of plants developed through cisgenesis and intragenesis. EFSA Journal 10 (2), 2561 https://www.efsa.europa.eu/en/efsajournal/pub/2561
https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.2903/j.efsa.2012.2561
GMO Panel (2020): Applicability of the EFSA Opinion on sitedirected nucleases type 3 for the safety assessment of plants developed using site-directed nucleases type 1 and 2 and oligonucleotide-directed mutagenesis. EFSA Journal 18 (11),6299 | https://doi.org/10.2903/j.efsa.2020.6299
https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.2903/j.efsa.2020.6299
GMO Panel (2021): Scientific Opinion on the evaluation of existing guidelines for their adequacy for the molecular characterisation and environmental risk assessment of genetically modified plants obtained through synthetic biology. EFSA Journal 2021;19(2):6301, 21 pp. https://doi.org/10.2903/j.efsa.2021.6301
https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.2903/j.efsa.2021.6301
GMO Panel (2022):. Updated scientific opinion on plants developed through cisgenesis and intragenesis. EFSA Journal 20 (10), 7621. https://doi.org/10.2903/j.efsa.2022.7621
https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.2903/j.efsa.2022.7621