AFBV-WGG-EU-SAGE-Offener Brief

                                                                           Paris, Zwijnaarde und Karlsruhe, 8 Dezember 2023


Offener Brief


an die Präsidentin des Europäischen Parlaments, Frau Roberta Metsola

und Abgeordnete des Europäischen Parlaments



Neue genomische Techniken (NGTs) sind der Schlüssel für mehr Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft und zur Ernährungssouveränität in Europa.


Ehrgeizige Ziele wurden auf europäischer Ebene gesetzt, um die Ernährungssouveränität zu gewährleisten und dabei die Nachhaltigkeit der Landwirtschaft zu erhalten. Hierbei soll die Landwirtschaft mit den Folgen des Klimawandels zurechtkommen und gleichzeitig den Einsatz von Betriebsmitteln wie Wasser, Dünge- und Pflanzenschutzmitteln reduzieren.


Um diese Ziele zu erreichen, sind fortlaufend Innovationen erforderlich. Dazu muss die Entwicklung / Züchtung neuer Pflanzen beschleunigt werden, die an die oben beschriebenen Umweltauflagen angepasst sind. Dies setzt voraus, dass diese neuen Pflanzen Umweltbelastungen wie Trockenheit oder ex-tremen Temperaturen (abiotischer Stress) standhalten und gegen Krankheiten und Schädlinge (biotischer Stress) widerstandsfähig sind. Die rasche Einführung solcher Pflanzen ist aber nur möglich, wenn Wissenschaftler/ innen und Züchter/ innen ohne politische Vorbehalte und unter den richtigen Rahmenbedingungen Zugang zu allen verfügbaren Techniken haben und die Erkenntnisse innovativ für die Praxis umgesetzt werden können. Dies ist jedoch in der Europäischen Union derzeit nicht der Fall, da die gesetzlichen Vorschriften für gentechnisch veränderte Organismen, welche aus dem Jahr 2001 stammen, nicht an neue genomische Techniken angepasst sind.


Zahlreiche Ergebnisse sind bereits veröffentlicht und die ersten NGT-Pflanzen sind bereits verfügbar


Das Potenzial der NGTs wird bereits durch die Zahl der wissenschaftlichen Veröffentlichungen weltweit belegt. In der EU-SAGE-Datenbank [1] sind derzeit mehr als 800 Publikationen gelistet, die das oben beschriebene Spektrum von Merkmalen abdecken und bei 70 verschiedenen Pflanzenarten angewandt werden. Die GVO-Gesetzgebung, die bereits in mehreren Ländern der Welt angepasst wurde, hat das Inverkehrbringen der ersten NGT-Sorten wie einer mit gamma-Aminobuttersäure angereicherten Tomate in Japan, eines bitterstoff-freien Grünkohls in den Vereinigten Staaten oder einer Banane mit reduzierter Bräunung auf den Philippinen ermöglicht. Weitere werden folgen, wenn man zum Beispiel die Anzahl der NGT-Pflanzen betrachtet, die in den Datenbanken des USDA [2] oder von Health Canada [3] aufgeführt sind.


Der Verordnungsvorschlag der EU-Kommission


Die Europäische Kommission war sich dieser Situation bewusst und legte im Juli 2023 einen Vorschlag zur Regulierung von Pflanzen vor, die mit Hilfe von NGTs (gezielte Mutagenese und Cisgenese) gezüchtet wurden. Dieser Vorschlag wurde von allen Akteuren, die an der Forschung und Entwicklung solcher neuen Pflanzen in Europa beteiligt sind, mit großer Spannung erwartet. Er sieht vor, dass Pflanzen, die mit Hilfe von NTGs gezüchtet wurden und auch natürlich vorkommen oder durch konventionelle Züchtungsverfahren erzeugt werden könnten, nicht unter die GVO-Vorschriften der EU fallen. Sie sollen den für konventionell gezüchtete Pflanzen geltenden Vorschriften unterliegen. Diese NGT-Pflanzen dürfen keine „artfremden“ DNA-Sequenzen enthalten und müssen bestimmte Kriterien auf der Grundlage der veränderten Genomsequenz erfüllen. Sie sollen von einer kompetenten Behörde überprüft und in einer öffentlichen Datenbank mit einem Identifizierungsschlüssel aufgeführt werden. Das Saatgut soll mit "NGT-1-Pflanze und dem Identifizierungsschlüssel" gekennzeichnet werden. Für andere NGT-Pflanzen, die nicht als NGT-1-Pflanzen eingestuft werden können, sollen weiterhin die Vorschriften und Anforderungen der EU-GVO-Rechtsvorschriften gelten, wobei die Risikobewertung auf die Vielfalt ihrer Risikoprofile und die Herausforderungen des Nachweises zugeschnitten wäre.


Notwendigkeit einer zügigen Verabschiedung der vorgeschlagenen Verordnung


Die Ablehnung der Anwendung von NGT auf Pflanzen würde die Europäische Union daran hindern, sich gemeinsam mit anderen Ländern wirksam an der Bewältigung der weltweiten Herausforderungen in der Landwirtschaft zu beteiligen. Europa muss den Ehrgeiz haben, schon im eigenen Interesse und im Interesse des Planeten ein wichtiger Akteur in der agrarischen Lebensmittelproduktion zu bleiben. Wir sind der Meinung, dass die von der Kommission vorgeschlagene Regelung für NGT-Pflanzen den Bedürfnissen der an der Lebensmittelproduktionskette beteiligten Akteure gerecht wird. Die Verabschiedung dieses Vorschlags muss vorbehaltlich einiger Klarstellungen, von denen einige bereits im Änderungsentwurf des ENVI-Ausschusses des Europäischen Parlaments berücksichtigt wurden, und anderer, die zu einem späteren Zeitpunkt in die im Entwurf vorgesehenen Durchführungsrechtsakte aufgenommen werden können, sehr schnell erfolgen, um die Entwicklung der ersten NGT-Pflanzen noch vor Ende des Jahrzehnts zu ermöglichen und damit Europa zu helfen, die selbst gesteckten Ziele zu erreichen.


Die Unterzeichner stehen Ihnen für weitere Informationen und die Beantwortung Ihrer Fragen zur Verfügung.


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