Der Antragsteller, der in Deutschland beabsichtigt, GVO für experimentelle Zwecke freizusetzen, stellt beim
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Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL)
einen Antrag. Der Antrag sollte alle erforderlichen Angaben nach
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§ 15, 1 Gen
TG enthalten. Das BVL informiert die EU-Kommission und die EU-Mitgliedsstaaten über die Antragsstellung. Das BVL überprüft gemeinsam mit den Bundesbehörden (Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Robert-Koch-Institut (RKI), Bundesamt für Naturschutz (BfN)) auf Vollständigkeit und Bewertbarkeit der Unterlagen. Falls notwendig, werden Ergänzungen und weitere Unterlagen angefordert.
Für die weitere Bearbeitung und zur Entscheidungsfindung werden Stellungnahmen von der Zentralen Kommission für die Biologische Sicherheit (ZKBS), dem Julius Kühn-Institut (JKI) und von Länderbehörden eingeholt und Benehmen mit den Bundebehörden hergestellt. Die Öffentlichkeit wird über die geplante Freisetzung informiert und kann begründete Einwendungen an das BVL stellen.
Das BVL entscheidet über den Antrag. Geht nach Kenntnisstand der Wissenschaft von dem GVO keine Gefahren für Mensch und Umwelt aus, so ist der Antrag positiv zu entscheiden. Der Bescheid wird dem Antragsteller als auch der zuständigen Landesbehörde übermittelt. Mit dem positiven Bescheid kann der Antragsteller entsprechend den gesetzlichen Vorgaben die Freisetzung mit dem genehmigten GVO an dem (den) beantragten Standort(en) für den genehmigten Zeitraum durchführen. Der Bescheid kann zusätzliche Auflagen über Beobachtung des GVO und seine Absicherung gegenüber der Umwelt und vor Unbefugten (z.B. Menschen, Tieren usw.) enthalten. Der Landesbehörde obliegt die Überwachung. Produkte aus dem GVO oder der GVO dürfen nicht als Lebens- oder Futtermittel in Verkehr gebracht werden. Für weitere Untersuchungen in gentechnischen Anlagen ist jedoch eine Abgabe an Dritte erlaubt.
Bei diesem Verfahren fungiert das BVL sowohl als Risikobewerter als auch als Risikomanager. Die Trennung ist nicht ganz eindeutig. Das BVL wird in der Risikobewertung von den Bundebehörden und Landesbehörden unterstützt. Die Entscheidung über den Antrag fällt das BVL unabhängig von ihnen. Politische Einflussnahme auf Entscheidungen des BVL ist generell nicht auszuschließen.
In den Jahren 1991 bis 2012 wurden vom BVL insgesamt 203 Freisetzungsanträge von Wirtschaftsunternehmen und öffentlichen Forschungseinrichtungen positiv beschieden. Nicht alle gemeldeten Freisetzungsversuche wurden nicht auf allen genehmigten Flächen durchgeführt. Ein großer Teil der Untersuchungen konnten nicht erfolgreich oder nur in Teilen abgeschlossen werden, da viele Freisetzungsfelder zerstört wurden. (
► Übersicht zu den Feldzerstörungen in Deutschland
) Seit 2013 wurden keine experimentellen Freisetzungen in Deutschland mehr durchgeführt. In den EU-Ländern wurden 2712 Freisetzungen im Zeitraum 1991 – 2016 unternommen.
1.2 Inverkehrbringen von GVO - Freisetzungen für kommerzielle Zwecke
Das Unternehmen, das in einem Mitgliedsstaat erstmals einen GVO kommerziell freigesetzten bzw. in Verkehr bringen will, stellt bei der zuständigen nationalen Behörde (für Deutschland das BVL) einen Antrag; das Anmeldeverfahren wird eröffnet. Das Antragsdossier enthält einen administrativen und einen wissenschaftlichen Teil. Der wissenschaftliche Teil enthält eine umfassende Darstellung der gentechnischen Veränderung und deren Auswirkung auf den Organismus, eine Risikobewertung anhand durchgeführter Untersuchungen, Studien zur Umweltverträglichkeit und einen Überwachungsplan (Monitoring). Der Antrag sollte allen zutreffenden Anforderungen aus der Freisetzungsrichtlinie 2001/18/EG (Anhänge II, III A und B, VII)) sowie den Leitlinien der EFSA für GVOs entsprechen.
Die nationale Behörde erstellt einen Prüfbericht und führt eine Erstbewertung durch. Sie übermittelt das Antragsdossier sowie alle dazugehörenden Unterlagen an die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) sowie an die EU-Kommission und die EU-Mitgliedsstaaten.
Das
► GMO-Panel der EFSA
führt anhand der eingereichten Unterlagen sowie der verfügbaren wissenschaftlichen Literatur eine auf wissenschaftlicher Basis beruhenden Risikobewertung durch. Die EFSA kann zusätzliche Unterlagen und Untersuchungen anfordern. Die Mitgliedsstaaten sind an der Bewertung der eingereichten Daten beteiligt und können innerhalb von drei Monaten ihre Stellungnahme an die EFSA übermitteln. Das GMO-Panel erstellt eine wissenschaftliche Stellungnahme (scientific opinion), äußert sich zu möglichen Gefährdungspotenzialen und zur Sicherheit des GVO. Letzteres beinhaltet eine Empfehlung an den Risikomanager, die EU-Kommission.
Die EFSA übermittelt ihre Stellungnahme an die EU-Kommission, den Mitgliedsstaaten und dem Antragsteller. Die Stellungnahme wird ohne die als vertraulich eingestuften Passagen veröffentlicht.
Die EU-Kommission erarbeitet einen Vorschlag für die Zulassung oder Ablehnung des GVO auf Grundlage der wissenschaftlichen Stellungnahme der EFSA. Die EU-Kommission kann von der Empfehlung der EFSA abweichen. Sie muss dies aber dann begründen. Innerhalb von drei Monaten stellt die EU-Kommission dem Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel - Abteilung Genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel und Umweltrisiko (SCPAF) ihren Vorschlag für das weitere Vorgehen sowie alle Antragsunterlagen zur Diskussion zur Verfügung.
Der SCPAF-Ausschuss ist ein von Experten aus den Mitgliedsstaaten besetzter Regelungsausschuss. Nimmt der SCPAF-Ausschuss den Vorschlag der EU-Kommission mit qualifizierte Mehrheit an, so kann die EU-Kommission sofort eine rechtskräftige Entscheidung über den Antrag erlassen (Zulassung bzw. Ablehnung). Im Regelfall kommt es im SCPAF-Ausschuss jedoch zu keiner Entscheidung mit qualifizierter Mehrheit weder für eine Zulassung noch für eine Ablehnung. Die EU-Kommission leitet daraufhin den Vorschlag an einen Berufungsausschuss (Ministerrat) weiter und informiert das EU-Parlament.
Innerhalb von drei Monaten muss der Berufungsausschuss eine Entscheidung herbeiführen. Falls er mit qualifizierter Mehrheit zustimmt, kann die EU-Kommission ihren Vorschlag rechtskräftig umsetzen. Falls der Rat den Vorschlag allerdings ablehnt, muss die EU-Kommission ihren Vorschlag überprüfen und neu erstellen. Der Regelfall ist jedoch auch hier, dass der Berufungsausschuss zur keiner Entscheidung mit qualifizierter Mehrheit gelangt. Die EU-Kommission setzt ihren Vorschlag auch entgegen der Mehrheit der Mitgliedsstaaten in eine rechtskräftige Entscheidung um. Sie informiert den Antragsteller/den Erstinverkehrbringer über Zulassung oder Ablehnung und veröffentlicht ihre Entscheidung im Amtsblatt der EU. Die Zulassung ist auf zehn Jahre begrenzt und der GVO wird in ein öffentlich zugängliches Register aufgenommen. Das Vorgehen zur Zulassung von GVOs im Rahmen des Risikomanagements ist auch als
Komitologie-Verfahren bekannt. Hier kann sich das Verfahren über mehrere Jahre, 8-10 Jahre sind keine Seltenheit, hinziehen. Unter den Mitgliedstaaten wird nur selten bzw. nie eine politische Einigung erzielt und die Entscheidung wird der EU-Kommission zugeschoben. (siehe auch
► Komitologie-Verfahren und
► EU-Kommission: Keine Neuzulassungen für den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen
)
Mit dem positiven Zulassungsbescheid erhält der GVO grundsätzlich die Genehmigung für das uneingeschränkte Inverkehrbringen in allen Mitgliedsstaaten. Jedoch kann das Inverkehrbringen durch nationale Regelungen zunächst eingeschränkt werden, z.B. in Deutschland benötigte eine gv-Pflanze noch eine deutsche Sortenzulassung. Des Weiteren können Mitgliedsstaaten Verkehrsverbote für ihr Territorien erlassen
a) nach Artikel 23 aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse zu Risiken des GVO und /oder
b) nach der seit 2016 geltenden opt-out-Richtlinie 2016/412. Sicherheitsbedenken können allerdings kein Grund für ein
Verkehrsverbot sein.