Update Deutschland EuGH-Urteil

Update Deutschland: EuGH-Urteil (C-528/16) zur genrechtlichen Einordnung von Mutageneseverfahren - Genome Editing

Update Zeitraum: August 2019 - Juli 2020
      ► Update Europa: August 2019 - Juli 2020                                 
Update zum EuGH-Urteil C-528/16

Vor zwei Jahren, am 25. Juli 2018, verkündete der Europäische Gerichtshof (EuGH) sein Urteil in der ► Rechtssache C-528/16 zur genrechtlichen Einordnung von Mutageneseverfahren. Der EuGH folgte in seiner Urteilsfindung nicht dem ► Schlussantrag von Generalanwalt Bobek vom 18.01.2018. Der Gerichtshof vertrat eine andere Auffassung und entschied, dass

     a)  Organismen, die aus Mutageneseverfahren hervorgegangen sind, gentechnisch veränderte
          Organismen sind und aufgrund des Vorsorgeprinzips grundsätzlich den Regularien der 
          Gentechnikgesetzgebung unterliegen,
     b)  Organismen, die aus Mutageneseverfahren hervorgegangen sind, die vor 2001 entwickelt 
          und angewandt wurden, sicher sind und diese GVO von den Regularien der 
          Gentechnikgesetzgebung ausgenommen sind und
     c)  GVO, die nicht der Gentechnikgesetzgebung unterliegen, von den Mitgliedsstaaten 
          eigenständig national geregelt werden dürfen.

Das EuGH-Urteil ist nicht anfechtbar und für alle EU-Mitgliedstaaten verbindlich. Das Urteil hat zu Konfusionen und Verunsicherungen geführt, und diese bestehen noch immer.

Deutschland kann sich auf Regierungsebene hinsichtlich gesetzlicher Regelungen für die neuen Methoden der Genveränderungen nur beratend einbringen. Öffentlich ist jedoch nichts über einen Dialog der Bunderegierung bzw. seiner Ministerien mit der EU-Kommission bislang bekannt. Möglicherweise hängt dies auch mit den Absprachen im Koalitionsvertrag und den kontroversen politischen Meinungen der Regierungsparteien zur Gentechnik und der Genomeditierung zusammen. 

Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft

Das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) hatte bereits 2017 die Diskussionen über die neuen molekularen Techniken mit der Öffentlichkeit mit den NMT*-Foren initiiert. Im Juni 2019 erfolgte das ► Forum NMT 2019 - „Perspektiven für den Umgang mit den neuen Techniken“. Der Schwerpunkt dieses Forums lag in drei offenen Diskussionsrunden zu Möglichkeiten der Regulierung der neuen Techniken. 
                                                                                                                                                  *NMT  Neue Molekulare Techniken
In ihrer offenen und progressiven ► Eröffnungsrede, zeigte Ministerin Klöckner auch klar die Grenzen der politischen Möglichkeiten des BMEL als auch der Bundesregierung auf.

"Das Urteil hat zwar die aktuelle Rechtslage zu den neuen Techniken geklärt, aber wir müssen dennoch viele Fragen stellen und auch beantworten. Fragen zum Beispiel nach der praktischen Umsetzung des Urteils, aber auch zu unseren politischen Gestaltungsoptionen“.

                                                                     Bundesernährungsministerin Julia Klöckner
                                                                                                                           Bild © BMEL
Im Vorfeld zu den Diskussionsrunden wurden Impulsvorträge Prof. Dr. A. Ehrhardt und Prof. Dr. I. Appel zu dem weiten Umfeld der neuen molekularen Techniken abgehalten: 
►Vortrag 1:  Prof. Dr. A. Ehrhardt, Universität Witten/Herdecke: „Genom-Editierung durch neue molekularbiologische Techniken: Anwendungen, Chancen und Limitierungen“  

►Vortrag 2:  Prof. Dr. I. Appel, Universität Hamburg: „Neue molekularbiologische Techniken zwischen Innovation und Vorsorge – Rechtliche Rahmenbedingungen nach der Entscheidung des EuGH vom 25. Juli 2018“
Prof. Appel beleuchtete in seinem Vortrag die Problematik an einem starren Beharren des Vorsorgeprinzips und führte aus, dass auch hier „mit zunehmenden Erfahrungsgewinn die Begründungserfordernisse für Vorsorge steigen“. Eine regelmäßige Anpassung an den Wissenstand sei notwendig und entsprechend seien De- oder Re-Regulierungen erforderlich. Unter dem Punkten 4.3. - 4.6  „Folgenbewältigung – Im System“ wurden Vorschläge für mögliche Änderungen des Gentechnikrechts vorgestellt.
Themenblöcke für die Diskussionsrunden: 

Die Themenblöcke wurden jeweils in zwei unterschiedlich zusammengesetzten Gruppen diskutiert.

   ●  „Keine Änderung an der rechtlichen Einordnung von NMT“
   ●  „NMT aus dem Anwendungsbereich des Gentechnikrechts 
        ausnehmen, sofern keine artfremden Gensequenzen 
        übertragen wurden.“
   ●  „NMT differenziert im europäischen Gentechnikrecht 
        regulieren.“

Die einzelnen Themenblöcke wurden jeweils noch beispielhaft mit Fragen unterlegt (siehe ). Die Diskussionsgruppen mussten nicht unbedingt die Fragen „abarbeiten“ und konnten eigene Vorstellungen einbringen. So heterogen die Diskussionsgruppen zusammengesetzt waren, so heterogen waren auch die Antworten und Ergebnisse. Einzelheiten zu den Ergebnissen aus den Fragen der Themenblöcken sind ► hier abrufbar.

Die Bandbreite zu den Ansichten über Regelungen der neuen Techniken war groß. Sie reichten von einer strengen umfassenden Regelung bis zur Abschaffung der bestehenden gentechnikrechtlichen Regelungen. Klar zeichnete sich aber ab, dass Ablehner und Kritiker der Gentechnik die neuen molekularen Verfahren undifferenziert betrachten und generell als „Gentechnik“ ansehen. Für sie bedarf es keiner Änderung der gesetzlichen Regelung. Dies hatten sie bereits auch im Vorfeld des Forum NMT 2019 durch eine entsprechende gemeinsame ►Presseverlautbarung bekannt gemacht. 

Vertreter aus Wissenschaft und Wirtschaft differenzierten jedoch bei den neuen Verfahren. Sie unterschieden klar zwischen Verfahren bei denen Mutationen erzeugt wurden, wie sie auch auf natürliche Weise entstehen können d.h. keine „fremde“ DNA in den erzeugten Pflanzen vorkommt und solchen Pflanzen, die klassisch gentechnisch bearbeiteten Pflanzen entsprechen. Sie nahmen eine Differenzierung nach SDN-1, SDN-2 und SDN-3 Verfahren vor. Sie plädierten für eine differenzierte Betrachtung der Verfahren und entsprechend eine differenzierte gesetzliche Regelung, wobei SDN-1 Verfahren ähnlich wie die klassischen Mutageneseverfahren von den gentechnikrechtlichen Vorgaben ausgenommen werden sollten. 

Die zusammenfassenden Berichte über die Ergebnisse aus den Diskussionsgruppen sind ► hier abrufbar.

Dieser Dialog des BMEL ist zu begrüßen und andere Ministerien sollten ähnliche Veranstaltung durchführen. Der Dialog der Politik aber auch der Wirtschaft mit allen gesellschaftlichen Gruppen ist notwendig. Konstruktive Lösungen, die auch von der Gesellschaft akzeptiert werden können, lassen sich letztlich nur in einer zunächst ergebnisoffenen Diskussion mit den interessierten, gesellschaftlichen Gruppe finden. 
                 Presseerklärung von BUND, AbL und Demeter zu Forum NMT 2019

                 BDP: Deutschland und die EU diskutieren Folgen aus dem Urteil zu den 
                        neuen Züchtungsmethoden
Zentrale Kommission für die Biologische Sicherheit (ZKBS)

In ihrem ► Fokusthema „Genome Editing - Auswirkungen des EuGH-Urteils auf die Pflanzenzüchtung“ fasst die ZKBS die Fakten und Hintergrundinformationen zur Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C-528/16 vom 25. Juli 2018 zusammen. Der Fokus liegt auf der Darstellung und Erläuterung des wissenschaftlichen Hintergrunds der Pflanzenmutagenese, der nach Ansicht der ZKBS bei der Urteilsfindung des EuGH nicht mit einbezogen worden sind. Aus Sicht der ZKBS bezieht das Urteil den naturwissenschaftlichen Kenntnisstand nicht ein. Es berücksichtigt nicht die vorangegangenen Bewertungen anerkannter Institutionen, u. a. der European Academies Science Advisory Council (EASAC), der High Level Group of Scientific Advisors (part of Scientific Advice Mechanism - SAM) oder der Deutschen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften acatech.

Weiterhin werden die Folgen des Urteils für die Entwicklung genomeditierter Pflanzen in der EU und die Probleme bei der Umsetzung des Gentechnikrechtes durch die zuständigen Vollzugsbehörden betrachtet.

Parteien

Am 08.05.2019 stellte die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen den Antrag (► 19/9952) „Die Freisetzungsrichtlinie 2001/18/EG in ihrer Regelschärfe auch für die neue Gentechnik beibehalten – Regulierung im Einklang mit dem Vorsorgeprinzip auch in Zukunft sichern“ für eine Beschlussfassung an den Deutschen Bundestag.

Wenig später folgte am 14.05.2019 der Antrag (►19/10166) der Fraktion der FDPChancen neuer Züchtungsmethoden erkennen – Für ein technologieoffenes Gentechnikrecht“

Beide Anträge nehmen Bezug auf das EuGH-Urteil zu Mutageneseverfahren von 25. Juli 2018.

Die Partei Bündnis 90/Die Grünen möchte mit ihrem Antrag erreichen, dass die Bundesrepublik Deutschland an dem bestehenden Regelwerk zu Gentechnik, der Freisetzungsrichtlinie 2001/18/EG, strikt festhält, - wohl wissend, dass dieses auf dem Kenntnisstand der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts aufbaut. Die Bundesrepublik Deutschland soll sich im Bereich der modernen Pflanzenzüchtung dem Fortschritt in Wissenschaft und Technik widersetzen und soll sich einer Revision der Gentechnikgesetzgebung auf europäischer Ebene entgegenstellen. Das Vorsorgeprinzip soll verstärkt werden und insbesondere auch für Anwendungen aus Genomeditierungsverfahren gelten.

Die FDP möchte dagegen, dass sich die Bundesrepublik Deutschland auf europäischer Ebene für eine Anpassung des Gentechnikrechtes an den Stand von Wissenschaft und Technik ausspricht und die neuen Züchtungsmethoden differenziert diskutiert und bewertet werden. Dem Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Deutschland sollen Anwendungen aus den neuen Verfahren, dem Genome Editing, ohne schwerwiegende Hindernisse ermöglicht werden und eigenständig nutzbar sein. Deutschland soll die Potenziale dieser Verfahren auch in der praktischen Anwendung nutzen dürfen.
Zu beiden Anträgen erfolgte am 04.11.2019 eine öffentliche Anhörung im Ausschuss für Ernährung von Einzelsachverständigen und dem Bundesamt für Naturschutz (BfN). Beide Anträge sind sehr kontrovers und vielleicht ist es deshalb nicht ganz verwunderlich, dass beide sowohl im ► Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft als auch im Bundestag jeweils mit großer Mehrheit, also auch mit den Stimmen des CDU/CSU und SPD, abgelehnt wurden.
Dennoch ist es überraschend: Folgt man den Äußerungen von SPD-Politikern und denen aus dem SPD-geführten Umweltministerium so entspricht der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen genau der Einstellung der SPD zu den neuen Züchtungstechniken und ihrem Festhalten an dem “alten“ Gentechnikgesetz. Umgekehrt stehen CDU und teilweise die CSU den neuen Züchtungsmethoden positiv gegenüber und sehen in ihren Anwendungen Chancen für Mensch und Umwelt. 

Die Ablehnung beider Anträge zeigt deutlich, dass aufgrund des Koalitionsvertrages die Regierungsparteien in Sachen Gentechnik handlungsunfähig sind und den Stillstand gegenüber dem Handeln vorziehen.

Öffentliche Anhörung im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft (04.11.2019) 

Antrag (19/9952) „Die Freisetzungsrichtlinie 2001/18/EG in ihrer Regelschärfe auch für die neue Gentechnik beibehalten – Regulierung im Einklang mit dem Vorsorgeprinzip auch in Zukunft sichern“ von Bündnis 90/Die Grünen 

Antrag (19/10166) „Chancen neuer Züchtungsmethoden erkennen – Für ein technologieoffenes Gentechnikrecht“ der FDP-Fraktion 


Unter diesem link sind auch die Stellungnahmen der Einzelsach-verständigen Dr. M. Braun, Prof. Dr. S. Clemens, Dr. T. Faltus, Dr. F. Prinz von Löwenstein, Prof. Dr. T.M. Spranger sowie des Bundesamtes für Natur (BfN) einsehbar.


CDU - Christlich Demokratische Union Deutschlands
    ► Positionspapier des Bundesfachausschusses Bildung, Forschung und Innovation der CDU Beschluss vom 16. Dezember 2019 
         ● „Genomeditierung bei Pflanzen: Chancen für eine nachhaltige und ressourcenschonende Landwirtschaft“ - 
             Positionspapier des Bundesfachausschusses 
             Auswirkungen des EuGH-Urteils vom Juli 2018 auf die Pflanzenzüchtung
   Das Papier stellt die Position des Fachausschusses der CDU dar und soll letztlich nur als Leitlinie und Informationshilfe für die 
   Gesamtpartei dienen. 

Bündnis 90 / Die Grünen 
Im Rahmen der Aufstellung eines neuen Grundsatzprogramms für die Partei Bündnis 90 / Die Grünen hat eine progressive Gruppe* von Parteimitgliedern das ► Debattenpapier „Neue Zeiten, neue Antworten: Gentechnikrecht zeitgemäß regulieren“ mit 6 Thesen am 10. Juni 2020 eingebracht.
„1. Die politischen Herausforderungen in der Landwirtschaft, egal ob lokal, national oder global, werden sich
     nicht durch eine einzelne Technologie lösen lassen, aber auch nicht ohne Technologiesprünge hin zu mehr
     Nachhaltigkeit und Klimaverträglichkeit. Gleiches gilt für das Gesundheitssystem: Eine therapeutische 
     Technologie kann nur eingebettet in ein funktionierendes Gesundheitssystem helfen. 

2.  Neue Gentechnik in der Landwirtschaft steht nicht per se für weniger oder mehr Nachhaltigkeit, sondern 
     kann potentiell für beides genutzt werden.

3.  Die aktuelle Regulierung von genveränderten Organismen (GVO) befördert Monopolstrukturen in der 
     Landwirtschaft; für faire Märkte, die für alle zugänglich sind, brauchen wir neue Regeln. 

4.  Die grundsätzlich akzeptierte Rote Gentechnik führt schon heute vor Augen, dass auch das Unterlassen der 
     Anwendung nicht von Verantwortung gegenüber der Gegenwart und Zukunft entbindet. 

5.  Inkohärente Anwendung schwächt das Vorsorgeprinzip – wir müssen eine faktenbasierte Antwort geben, 
     wann eine Technologie ausreichend erforscht ist, um als sicher zu gelten. 

6.  Aktuelle Regulierung von GVO entspricht teilweise nicht mehr dem wissenschaftlichen Stand
     – entscheidend ist nicht die Technologie, sondern das Ergebnis. 

Blick in die Zukunft: Wir dürfen den Handlungsbedarf nicht länger ignorieren, sondern müssen unsere Stärke einer ausgewogenen und sorgfältigen Technologiebewertung im Dialog mit der Wissenschaft auch auf neue Gentechnik in der Landwirtschaft anwenden."
In These 6 „Aktuelle Regulierung von GVO entspricht teilweise nicht mehr dem wissenschaftlichen Stand – entscheidend ist nicht die Technologie, sondern das Ergebnis“ wird eine Neuregulierung der Gentechnik vorgeschlagen und das starre Festhalten an den alten Doktrinen der Partei in Frage gestellt. Es ist ein Diskussionspapier einer Dissidentengruppe*. Inwieweit Vorstellungen aus diesem Debattenpapier in das endgültige Grundsatzprogramm der Partei übernommen werden, bleibt abzuwarten. 

                               * ► GM-Watch: After dissident group of German Greens lobbied for gene editing to be de-regulated, spokesmen re-affirm Party's
                                                              commitment to strong regulation under the EU's GMO laws.  
  
Ein neuer Beschluss der Bundestagsfraktion relativiert und verwirft teilweise die Vorstellungen aus dem obengenannten Debattenpapier. Er macht deutlich, dass jeder Eingriff in die genetische Information einer Pflanze "Gentechnik" ist und Gentechnik mit nachhaltigen und generationsübergreifenden Landwirtschaft unvereinbar ist.
 
                             Bündnis 90/Die Grünen: ► Fraktionsbeschluss vom 16.06.2020 »Neue Gentechnik in der Landwirtschaft verantwortungsvoll regulieren

Initiativen und Stellungnahmen

Initiativen und Stellungsnahmen aus der Wissenschaft 
In den EU-Ländern so auch in Deutschland ist die Freiheit von Forschung und Lehre gesetzlich garantiert. Die Pflanzenforschung ist in Deutschland noch hoch kompetitiv. De jure berührt das EU-Urteil Forschungen mit Pflanzen an Universitäten, Hochschulen oder sonstigen staatlichen Instituten nicht. De facto jedoch – bedingt durch Historie zur klassischen Gentechnik – schränkt die generelle Einordnung der Genomeditierung als Gentechnik die Forschung ein. Anwendungsbezogene Forschung, die auch eine Überprüfung der Laborergebnisse benötigt, wird heruntergefahren, da Freilandversuche in Deutschland nicht mehr durchführbar sind. Ein Ausweichen in andere Länder ist in der Regel aus finanziellen Gründen nicht möglich. Erschwerend kommt noch hinzu, dass Publikationsorgane immer öfters eine Verifizierung von Ergebnissen im Freiland erwarten. Sicherheitsforschung im Freiland findet in Deutschland nicht mehr statt. 

Forschungsergebnisse von genomeditierten Pflanzen können in Deutschland kaum noch praktisch umgesetzt werden.  Die Innovationspotentiale können hier nicht ausgeschöpft werden, sie werden vom Ausland abgeschöpft.  
  • Forschung muss im Rahmen ethischer Moralvorstellungen und gesetzlicher Gegebenheiten frei gestaltbar sein. 
  • Freiheit von Forschung deutet aber auch, dass die Forschung durchgeführt werden darf.
  • Untersuchungen an genomeditierten Pflanzen muss im Freiland auch praktisch möglich sein. 
  • Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftlern muss eine Berufschance gegeben werden.
  • Einen brain-drop vermeiden,  Fehler von früher vermeiden. 
  • Innovationen erkennen und es ermöglichen, dass Innovationen nutzbar gemacht werden können.
Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, Deutsche Forschungsgemeinschaft und Union der deutschen Akademien der Wissenschaften 

Im November 2019 veröffentlichten die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften ihre ► Stellungnahme:
"Wege zu einer wissenschaftlich begründeten, differenzierten Regulierung genomeditierter Pflanzen in der EU / Towards a scientifically justified, differentiated regulation of genome edited plants in the EU"

Hier sollen aus der umfangreichen Stellungnahme nur die Vorschläge zur Novellierung des Gentechnikrechts aufgezeigt werden, die kurzfristig umgesetzt werden könnten. Nach Auffassung der Gesellschaften müssten die Definition für einen gentechnisch veränderten Organismus modifiziert werden (Box 2, Seite 33) und die Ausnahmeregelungen in den Anhängen I und II entsprechend den neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen ergänzt werden. Diese Punkte werden in der Stellungnahme in den Boxen 3 und 4 (Seiten 33 und 34) dargelegt. 
Die Gesellschaften geben sieben Handlungsempfehlungen an die Politik:  

Empfehlung 1. Novellierung des europäischen Gentechnikrechts
So sollten innerhalb der laufenden Legislaturperiode des Europäischen Parlaments die GVO-Definition oder die zugehörigen Ausnahmeregelungen dahingehend überarbeitet werden, dass genomeditierte Organismen vom Anwendungsbereich des Gentechnikrechts ausgenommen werden, wenn keine artfremde genetische Information eingefügt ist und/oder eine Kombination von genetischem Material vorliegt, die sich ebenso auf natürliche Weise oder durch konventionelle Züchtungsverfahren ergeben könnte.
Empfehlung 2. Ein von Grund auf neuer Rechtsrahmen
Längerfristig wäre aus wissenschaftlicher Sicht nur die Entwicklung eines völlig neuen Rechtsrahmens konsequent, der sich vom bisherigen, primär an das Verfahren der genetischen Veränderung anknüpfenden Regulierungsansatz löst. Der aktuelle, verfahrensbezogene Regulierungsansatz ist wissenschaftlich nicht begründbar. Ebenso wenig lässt sich wissenschaftlich begründen, warum eine Regulierung zwischen Züchtungsverfahren mit und ohne transgene DNA unterscheiden sollte……..Der neue EU-Rechtsrahmen sollte regelmäßig, mindestens alle fünf Jahre, von der Europäischen Kommission hinsichtlich seiner Angemessenheit im Lichte des Stands von Wissenschaft und Technik sowie vor dem Hintergrund eines fairen Marktwettbewerbs überprüft und ggf. überarbeitet werden.
Empfehlung 3. Erleichterung der Freilandforschung
Aufgrund der strengen, vorrangig verfahrensbezogenen Regelung, die undifferenziert alle genomeditierten Pflanzen erfasst, wird die Forschungsfreiheit in der EU substantiell unbegründet eingeschränkt.
Empfehlung 4. Züchtungsverfahren differenziert diskutieren
Dabei sollten seitens der Wissenschaften realistische Erwartungen kommuniziert werden. Auch seitens der die Gentechnik Kritisierenden sollte klar zwischen Verfahren und deren Produkten sowie zwischen Anwendungsszenarien, etwa bei Nutzpflanzen und in der Humanmedizin, unterschieden werden.
Empfehlung 5. Wahlfreiheit sichern
Verbraucherinnen und Verbraucher sollten durch konsistente Kennzeichnungsregeln, die auch die Gleichartigkeit mit Produkten konventionell gezüchteter Organismen abbilden, über genomeditierte Produkte informiert werden. Für die Produktkennzeichnung ergibt sich die Herausforderung, dass Anwendungen der Genomeditierung häufig nicht nachweisbar sind. Insbesondere, wenn im Endprodukt keine artfremde genetische Information vorhanden ist.
Empfehlung 6. Innovationspotentiale verantwortungsvoll ausschöpfen
Empfehlung 7. Erhöhung des Marktwettbewerbs


Wissenschaftlerkreis Grüne Gentechnik (WGG)und Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin (VBIO)

Bereits im Dezember 2018 appellierten die beiden Verbände in einem ► offenen Brief „Nach dem EuGH-Urteil zu Genom Editing ist die Politik am Zug“ an die Ministerin für Bildung und Forschung sowie die Ministerin für Ernährung und Landwirtschaft Genom-Editing auch in Deutschland für die Wissenschaft und Wirtschaft zu ermöglichen und erinnerten an die Verantwortung der Politik gegenüber Nachwuchswissenschaftlern. Dieser offene Brief wurde von 314 deutschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern mitunterzeichnet.
Im Nachgang zu dem offenen Brief wurde im Januar 2020 in einem ► Impulspapier eine faktenbasierte Regulierung der Genom Editierung angemahnt. Die deutsche Politik wird aufgefordert, sich auf europäischer Ebene für eine faktenbasierte Anpassung der Richtlinie 2001/18/EC einzusetzen. Dazu werden konkrete Vorschläge gemacht. 

1. Organismen, die mit folgenden Techniken erzeugt wurden, im Anhang I A Teil 2 der Richtlinie einzuschließen: 
    Molekulare Verfahren, die durch ihre Anwendung eine genetische Veränderung bewirken, wie sie auf natürliche Weise 
    entstanden sein kann, insbesondere Verfahren, die 
       a. Deletionen von DNA-Fragmenten bewirken 
       b. einzelne Basenpaare austauschen 
       c. eine Insertion, Inversion oder Translokation solcher genetischer Information im Genom bewirken, die im natürlichen 
          Genpool derselben Art oder nahe verwandter Arten bekanntermaßen vorkommt oder mit hoher Wahrscheinlichkeit 
          vorkommen kann. 

2. die nach Anhang I B bereits von der Verordnung ausgenommenen Organismen, um folgende neue Kategorien zu ergänzen: 
            Molekulare Verfahren, die durch ihre Anwendung eine genetische Veränderung bewirken, wie sie auf natürliche Weise 
            entstanden sein kann, insbesondere Verfahren, die 
a. Deletionen von DNA-Fragmenten bewirken 
b. einzelne Basenpaare austauschen 
c. eine Insertion, Inversion oder Translokation solcher genetischer Information im Genom bewirken, die im natürlichen 
   Genpool derselben Art oder nahe verwandter Arten bekanntermaßen vorkommt oder mit hoher Wahrscheinlichkeit 
   vorkommen kann. 

Zusätzlich wird erläutert, warum nach Ansicht beider wissenschaftlicher Vereine eine Revision des europäischen Gentechnikrechtes notwendig ist. 
  • Die Richtlinie 2001/18/EC (Gentechnikgesetz), basierend auf dem Wissen der 1990er Jahre, wird dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik nicht gerecht. 
  • Genome-Editing hat eine große Anwendungsbreite: Es kann eine kleine Mutation oder eine große Genomänderung erzeugen. Eine pauschale juristische Festlegung ist deshalb nicht sinnvoll. 
  • Das EUGH-Urteil lässt eine produktbezogene Bewertung außer Acht. Die Orientierung erfolgt ausschließlich am Prozess der Erzeugung – also am Eingriff ins Genom – und nicht am Resultat, also der daraus entstandenen Pflanze. Das beutet auch, dass genetisch identische Pflanzen unterschiedlich eingestuft werden müssten. Aber: Die Einstufung als GVO bzw. Nicht-GVO sollte durch eine Fall-zu-Fall-Entscheidung erfolgen. 
  • Der Nachweis, ob eine Veränderung durch Genome-Editing entstanden ist oder durch natürliche Mutation ist oft nicht möglich. D.h. die aktuelle EU-Gesetzgebung zur Kennzeichnung bei importierter Ware kann durch Kontrollen nicht durchgesetzt werden. 
  • Verantwortungsvoller Umgang mit technologiebedingten Entwicklungen bedeutet, die positiven und negativen Effekte gegeneinander abzuwägen und zu beobachten, um ggf. steuernd einzugreifen. Das Vorsorgeprinzip darf dabei nicht an spekulative Risiken anknüpfen, sondern ist wissenschaftsbasiert anzuwenden. 
  • Wird die GVO-Gesetzgebung nicht angepasst, ist Genome-Editing in der EU chancenlos. Profiteure sind große, multinationale Konzerne. Die Chance zur Demokratisierung entfällt. 
  • Aus einer Nicht-Anpassung ergeben sich dauerhafte Nachteile für Forschung und Entwicklung.
        - Dringend benötigte klima- und krankheitsresistente oder ertragreichere Pflanzen können 
  nicht zeitnah gezüchtet werden. Auf die Bedeutung von Genome Editing in diesem 
  Zusammenhang weist auch der Weltklimarat (IPCC) in seinen jüngsten Sonderbericht hin. 
- durch den Wegfall von Forschungsförderung droht ein massiver Know-how-Verlust in 
  Europa. 

                                           https://www.wgg-ev.de/aktuelles/impulspapier-2-0/impuls-2-0-kurz/



Association Française des Biotechnologies Végétales und Wissenschaftlerkreis Grüne Gentechnik

Im Februar 2020 wandten sich die französische Gesellschaft Association Française des Biotechnologies Végétales (AFBV) und der deutsche Verein Wissenschaftlerkreis Grüne Gentechnik e.V. (WGG) mit einem ► offenen Brief an die neue EU-Kommission unter der Leitung der Kommissionspräsidentin von der Leyen und wiesen auf die Notwendigkeit hin, die Freisetzungsrichtlinie 2001/18/EG zu überprüfen und entsprechend an den Stand von Wissenschaft und Technik anzupassen. Eine Novellierung sei auch unabhängig von Fragen, die sich aus den neuen molekularen Techniken ergeben, nötig. Es bestünden große Herausforderungen wie z.B. den Klimawandel anzugehen, die Umwelt nachhaltig zu schützen, Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren usw. Um dies zu erreichen, muss es Wissenschaft und Pflanzenzüchtern ermöglicht werden, diese neuen Techniken anzuwenden und Landwirten solche Pflanzen nutzen zu dürfen. AFBV und WGG sind der Auffassung, dass kleine Änderungen 

a) in zwei Artikeln der Richtlinie 2001/18/EG,
b) im Anhang IA und 
c) das Hinzufügen eines neuen Anhangs IC (verbunden mit entsprechenden Änderungen in der Gentechnikgesetzgebung) 

ausreichen würden, um die Verfahren der Genomeditierung in die Pflanzenzüchtung einzubringen, damit die oben genannten Herausforderungen zielgerecht und schnell angegangen werden können. Es werden hierzu ► ein Vorschlag zur Änderung der Freisetzungsrichtlinie 2001/18/EG sowie entsprechende ► Erläuterungen an die EU-Kommission gesandt. Zusätzlich sollen sie die EU-Kommission bei der Durchführung des Beschlusses des Rates (EU) 2019/1904 unterstützen. 

Es wird vorgeschlagen:
1.  Genom-Editierung-Techniken zu definieren. 
2.  Bestimmte Kategorien genomeditierter Pflanzen aus dem Geltungsbereich der Freisetzungsrichtlinie aus zunehmen. 
3.  Ein spezifisches Regulierungsverfahren für bestimmte genomeditierte Pflanzen zu erstellen. 
4.  Eine periodische Aktualisierung der Freisetzungsrichtlinie vorzunehmen, wenn dies die Fortschritte der wissenschaftlichen 
     Erkenntnisse und des technischen Fortschritts rechtfertigen. 
5.  Klärung des Status von Null-Segreganten.

Der Vorschlag Genom-Editierung-Techniken zu definieren, wurde in den Anhang I A der Freisetzungsrichtlinie unter dem neuen Punkt 4 aufgenommen. Er bezieht sich auf Artikel 2 „Begriffsbestimmungen“ Abs. 2 a. Der AFBV – WGG Vorschlag folgt der Freisetzungsrichtlinie und ordnet zunächst die Mutagenese als Gentechnik und Mutageseverfahren, so auch die aus der Genomeditierung als gentechnische Verfahren ein.  
Im nächsten Schritt werden Verfahren aus dem Anwendungsbereich herausgenommen indem Art 2 Abs. 2 um einen zusätzlichen Punkt c) erweitert wird. „Organismen, aufgeführt in Anhang I A, Teil 3 unterliegen nicht dem Anwendungsbereich der Richtlinie.“ Anhang I B der Freisetzungsrichtlinie bleibt unverändert erhalten. Hier im speziellen AFBV – WGG-Vorschlag, der sich vornehmlich auf Pflanzen bezieht, erfolgt in einen neuen Anhang I C der Ausschluss von bestimmten Kategorien genomeditierter Pflanzen aus Geltungsbereich der Richtlinie. Der AFBV – WGG-Vorschlag schließt auch den Ausschluss von cisgenen Pflanzen ein und ist insgesamt weitergefasst als die Vorschläge der Leopoldina und WGG-VBIO.
Anhang I C Verfahren im Sinne von Artikel 3 Abs 3

Der Begriff "natürlicher Genpool" bezieht sich auf den Genpool einer Pflanzenart, definiert als die Gesamtheit aller Gene und Allele (d.h. verschiedene Versionen desselben Gens), die von Pflanzen gewonnen werden, die Gene durch sexuelle Kreuzung austauschen können. Er schließt auch entfernt verwandten Pflanzenarten ein, bei denen Gene durch sexuelle Kreuzungen unter Verwendung traditioneller Züchtungstechniken ausgetauscht werden können. Die Begriffe „Editing“ oder „editiert“ beziehen sich auf die Anwendung von Genom-Editing-Techniken. 
Bestimmte Kategorien von Pflanzen, die nachstehend beschrieben und durch Anwendung der in Anhang I A 
Teil 1 Nummer 4 beschriebenen Techniken gewonnen werden, sind von dem Geltungsbereich der Richtlinie ausgeschlossen, sofern rekombinante Nukleinsäuresequenzen vollständig aus dem editierten Organismus entfernt wurden, falls solche beim Editierungsprozess verwendet wurden. Zusätzliche Kategorien können zu einem späteren Zeitpunkt gemäß dem in Artikel 5 dieser Änderung der Richtlinie beschriebenen Mechanismus hinzugefügt werden, wenn die Entwicklung des wissenschaftlichen Kenntnisstandes und des technischen Fortschritts dies rechtfertigt.
    a. Kategorien von Pflanzen 
        Bei allen aufgeführten Kategorien ist es möglich, in derselben Pflanze mehrere Allele (oder eingefügte Gene) editiert 
        wurden. In solchen Fällen ist jedes einzelne editierte Allel (oder eingefügtes Gen) unabhängig nach den definierten Kriterien 
        zu analysieren. Wenn alle editierten Allele oder eingefügten Gene unter dieselbe Kategorie fallen, gehört die Pflanze 
        zu dieser Kategorie. Wenn die editierten Allele oder eingefügten Gene zu verschiedenen Kategorien gehören, muss die 
        Pflanze jeder relevanten Kategorie entsprechen, um ausgeschlossen zu werden. Wird eine neue Editierung an einem 
        anderen Allel einer Pflanze vorgenommen, die zuvor vom Geltungsbereich der Richtlinie ausgeschlossen wurde, wird 
        vom Antragsteller eine Bestätigung des Ausschlusses für das neue Allel verlangt.

       Kategorie 1: Eine Pflanze, bei der ein definiertes Gen (Allel) so editiert wurde, damit es eine Funktion erhält, die ein 
              bekanntes Gen (Allel) aus dessen natürlichen Genpool mit gleicher Funktionalität besitzt.

     Kategorie 2: Eine Pflanze, bei der ein definiertes Gen (Allel) so editiert wurde, damit es eine Funktion erhält, die ein 
    bekanntes Gen (Allel) einer Pflanzenart außerhalb von dessen natürlichen Genpools mit gleicher Funktionalität besitzt.

     Kategorie 3: Eine Pflanze, bei der ein definiertes Gen (Allel) so editiert wurde, damit es eine neue Funktion erhält. Die durch 
             die Editierung herbeigeführten Veränderungen (Insertionen bzw. Deletion) entsprechen denen, die auch durch spontane
   oder induzierte Mutagenese entstehen können.

     Kategorie 4: Eine Pflanze, bei der ein in ihrem natürlichen Genpool bekanntes Gen in eine definierte Zielstelle ihres Genoms
            eingefügt worden ist. 

b) „Antrag auf Ausschluss einer editierten Pflanze von der Richtlinie“
Der Vorschlag für ein spezifisches Regelungsverfahren für bestimmte Kategorien genomeditierter Pflanzen ist im neuen Anhang I C unter dem Punkt b) „Antrag auf Ausschluss einer editierten Pflanze von der Richtlinie“ aufgenommen. Der Inverkehrbringer, der eine genomeditierte Pflanze vom Geltungsbereich der Richtlinie ausschließen möchte, muss einen Antrag an die jeweilige nationale kompetente Behörde stellen. Diese entscheidet aufgrund des eingereichten Dossiers innerhalb von sechs Monaten über einen Ausschluss.  
Anhang I C (Fortsetzung)

b. Antrag auf Ausschluss einer editierten Pflanze von der Richtlinie
Ein Anmelder muss eine behördliche Bestätigung des Ausschlusses einer editierten Pflanze einholen. Das Verfahren ist an die obengenannten Kategorien anzupassen. 

 1. Verfahren 
     -  Der Anmelder reicht seinen Antrag auf Anfrage bei der zuständigen Behörde des Mitgliedstaates ein, die für die GVO-
        Vorschriften zuständig ist; 
     -  Diese Anfrage ist immer dann vom Anmelder zu stellen, wenn die entsprechende editierte Pflanze vom Anwendungsbereich
        der Richtlinie genommen werden soll; 
      - Die Ausschlussentscheidung für die entsprechende editierte Pflanze gilt für alle Nachkommen dieser Pflanze, die die gleiche 
        Editierung enthalten und ist für alle Mitgliedstaaten verbindlich; 
     -  Mit der Bestätigung der Ausschlussentscheidung unterliegt jede Sorte, die unter Verwendung der edierten Pflanze 
        gewonnen wird, den Saatgut- und Sortenschutzvorschriften für die betreffenden Pflanzenarten in gleicher Weise wie jede 
        durch traditionelle Züchtungsverfahren gewonnene Sorte, einschließlich der Eintragung in die gemeinsamen Sortenkatalog
        für landwirtschaftliche Pflanzen- und Gemüsearten, die in der Europäischen Union vermarktet werden können.

2. Anforderungen 
       Die vom Anmelder vorzulegenden Informationen sind an die Kategorien (1-4) anzupassen: 
      
       a. Standardanforderungen für alle Kategorien: 
            i)   Name des Anmelders und Kontaktinformationen;  
            ii)  taxonomische Beschreibung der Pflanze, die editiert oder in die ein Gen eingefügt wurde; 
            iii) angewandte Technik und wichtigste Schritte, die durchgeführt wurden, gegebenenfalls einschließlich der Angabe, ob 
                 bei dem Editierungsverfahren ein GVO-Zwischenprodukt hergestellt wurde oder nicht, sowie der Nachweis der
                 vollständigen Entfernung (jeder) eingefügten rekombinanten Nukleinsäurensequenz. 

       b. Spezifische Anforderungen: 
             - Für die Kategorien 1 und 2: 
                i) Taxonomische Beschreibung der Pflanze, die das Gen (Allel) enthält und eine Beschreibung des Gens (Allels);
                ii) Beschreibung der in der endgültigen Pflanze vorgenommenen Editierung und Nachweis, dass die resultierende 
                    edierte Sequenz erhalten wurde, sowie ein Vergleich der Funktionalitäten. 

              - Für Kategorie 3: 
                i)  Beschreibung des Gens (Allels) und seiner Funktionalität, die nach der Editierung erhalten wurden sowie 
                    verfügbare Hintergrundinformationen, die zur Editierung dieses Gens (Allels) veranlasst haben
                    (z.B. Forschungsarbeiten); 
                ii) Beschreibung der in der endgültigen Pflanze erreichten Editierung (Insertion, Deletion,Austausch) und Nachweis, 
                    dass die resultierende bearbeitete Sequenz und die Funktionalität des Gens (Allels) erhalten wurden.  

             - Für Kategorie 4: 
                i)  Taxonomische Beschreibung der Spenderpflanze, die das zu transferierende Gen enthält und eine Charakterisierung 
                     dieses Gens; 
                ii)  Nachweis, dass die DNA-Sequenz des transferierten Gens der des ursprünglichen Gens entspricht; 
                iii) Nachweis, dass sich das transferierte Gen an dem definierten Ort befindet, auf die die Editierung abgezielt hat. 

       c.  Alle vom Anmelder übermittelten Informationen, für die er Vertraulichkeit beanspruchen möchte, müssen mit dem 
           Vermerk "Vertraulich" gekennzeichnet werden. 

 3. Bearbeitungszeit 
           Die Bearbeitungszeit des Antrags durch die zuständige Behörde sollte nicht mehr als sechzig Tage betragen.

In einen neuen Artikel 5 wird eine periodische Anpassung der Richtlinie an den Stand von Wissenschaft und Technik vorgeschlagen. Spätestens alle fünf Jahre soll die EU-Kommission nach Beratungen durch die EFSA, die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten und nach Befragung von Interessensgruppen dem EU-Parlament Bericht über die Entwicklung der wissenschaftlichen Kenntnisse und des technischen Fortschritts vorlegen. Falls erforderlich soll sie Vorschläge für die Überarbeitung der Richtlinie unterbreiten.
 

Fachgemeinschaft Biotechnologie der DECHEMA e.V.

Der Lenkungskreis der FG der DECHEMA e.V. wendet sich nicht direkt an einen politischen Entscheidungsträger, sondern in einem ► Gast-Editorial „30 Jahre sichere Gentechnik in Deutschland“ in der Zeitschrift „Angewandte Chemie“ an alle Interessierten. Der Lenkungskreis plädiert in Sachen neuer molekularer Verfahren zu Gen- bzw. Genomveränderungen für eine faktenbasierte Diskussion und bringt sich hier aktiv mit „Faktenpapieren“ ein. In der Diskussion um eine Neuregelung der Gentechnikgesetzgebung unterstützt er grundsätzlich die gemeinsame Stellungnahme der Leopoldina, der Union der Deutschen Akademien der Wissenschaften und der Deutschen Forschungsgemeinschaft, plädiert aber langfristig für eine Gesetzgebung, die „allein an das veränderte Merkmal knüpft und mehr an die Methode, mit der das Merkmal verändert wurde.“
Initiativen und Stellungnahmen aus der Wirtschaft
23 Verbände der Agrar- und Ernährungswirtschaft fordern Aktualisierung des Gentechnikrechts

23 Verbände der Agrar- und Ernährungswirtschaft haben am 23. Oktober 2019 in einem ► Offenen Brief die deutsche Politik aufgefordert, das veraltete EU-Gentechnikrecht an den Stand der Wissenschaft anzupassen und damit Rechtssicherheit im Agrarhandel zu gewährleisten. In vielen Ländern außerhalb der Europäischen Union seien die neuen Züchtungsmethoden bereits Alltag; Produkte werden weder reguliert noch gekennzeichnet. Für die Einfuhr in die EU gilt jedoch eine Genehmigungs- und Kennzeichnungspflicht. Da aber gerichtsfeste Nachweisverfahren für solche Produkte nicht existieren, ist eine Kontrolle unmöglich. Das stellt Rohstoffhändler und die gesamte Wertschöpfungskette vor große Herausforderungen.
Bemerkenswert ist hier, dass sich erstmals so viele Verbände aus dem Agar- und Lebensmittelbereich zu einer gemeinsamen Stellungnahme zusammengefunden haben. Das EuGH-Urteil zu den Mutageneseverfahren bringt erhebliche Probleme für Landwirtschaft und Handel im weltweiten Kontext mit sich, falls das Gentechnikrecht nicht zeitnah an Stand von Wissenschaft und Technik angepasst wird.


Verbände: „Umsetzung der Richtlinie 2001/18 im Hinblick auf neue Gentechnik-Verfahren“
Vier Verbände aus dem Ökolandbau und fünf Verbände aus dem Bereich der Gentechnikkritiker haben anlässlich des EU-Verbraucherrates am 24. Oktober 2019 gemeinsam den ► Brief „Umsetzung der Richtlinie 2001/18 im Hinblick auf neue Gentechnik-Verfahren“ an Landwirtschaftsministerin Klöckner gesandt.

In Hinblick auf ihre Klientel und einer gentechnikfreien Landwirtschaft fordern sie, dass
      - das EuGH-Urteil in allen Mitgliedsstaaten vollständig umgesetzt wird und 
      - der Vorschlag der finnischen Ratspräsidentschaft zur Durchführung einer Studie zu den neuen Züchtungsverfahren nicht zu
        einer Verzögerung der Umsetzung des EuGH-Urteils führen darf.  
Ähnlich wie die Verbände aus der Agrar- und Ernährungswirtschaft fordern sie die Entwicklung von Testverfahren und Überprüfung von Erzeugnissen aus genomeditierten Pflanzen. Beide sehen hier gravierend Schwierigkeiten für die Rückverfolgung und die gesetzeskonforme Kennzeichnung. Anders als im Verbändebrief der Agrar- und Ernährungswirtschaft wird hier aber der Eindruck erweckt, dass es bereits Nachweisverfahren für bestimmte Produkte (Cibus-Raps, Sojaöl von Calyxt) gäbe und es leicht möglich wäre universelle Nachweis- bzw. Standardverfahren zu entwickeln. Die Politik wird gefordert, die bestehenden Möglichkeiten schnell um- und durchzusetzen.     

Fakt allerdings ist, dass
   ●  stets genomischen Veränderungen identifiziert werden können, aber bislang kein Nachweis geführt werden kann, wie und 
       wodurch diese Veränderung(en) entstanden ist (sind),  
   ●  es bislang keinen allgemeinen Standardtest, geschweige ein validiertes Verfahren, für den Nachweis von Cibus-Raps und 
       Calyxt-Sojabohnen gibt,
   ●  große Forschungsanstrengungen unternommen werden, Identifizierungs- und Nachweisverfahren für bestimmte genomeditierte 
       Pflanzen zu entwickeln. Es werden sicherlich keine einfachen Routineverfahren sein, die sich gerade auch für Massenware 
       einsetzen lassen.

Literaturzusammenstellung

Eine Zusammenstellung von Literatur, die im weitesten Sinne im Zusammenhang mit dem EuGH-Urteil steht, ist ► hier aufgelistet. Sie enthält Publikationen zum EuGH-Urteil, zu gesetzlichen Regulationen weltweit, zu Nachweisverfahren und  zur Anwendungsbreite. Sie ist (noch) nicht nach diesen Bereichen sortiert und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Der Zeitraum Juli erstreckt sich über 2018 – Juli 2020. 

bgf-Jany 20.07.2020


Share by: