Ohne bereits auf den geleakten Kommissionsvorschlag einzugehen, ist aus wissenschaftlicher Sicht die Differenzierung in die beiden Kategorien zu begrüßen. Aber als Mangel anzusehen ist, dass Pflanzen aus SDN-1- und SDN-2-Verfahren in Kategorie 1 ähnlich wie klassisch mutierte Pflanzen (Kategorie 3) nicht generell aus den Regularien der Gentechnikgesetzgebung herausgenommen wurden.
Die Kommission definiert eine NGT-Pflanze als eine gentechnisch veränderte Pflanze (GVO), die durch gezielte Mutagenese, Cisgenese, Intragenese oder durch eine Kombination davon gewonnen wurde, unter der Voraussetzung, dass diese NGT-Pflanze kein genetisches Material enthält, das von außerhalb des Genpools der Züchter stammt und während der Entwicklung der NGT-Pflanze vorübergehend eingefügt worden sein könnte.
NGT-Pflanzen sind damit GVO, die keine „artfremde“ DNA enthalten.
Für NGT-Pflanzen führt die Kommission zwei Kategorien ein, die unterschiedlich reguliert werden.
Kategorie 1 NGT-Pflanzen werden als äquivalent zu konventionell gezüchteten angesehen, sofern sie den in Annex I aufgeführten Kriterien entsprechen. Kategorie 1 NGT-Pflanzen sind somit GVO, die sich nicht von Pflanzen aus der konventionellen Züchtung unterscheiden und / oder auch durch natürliche oder konventionell induzierte Mutationen hätten entstehen können.
Kategorie 2-NGT-Pflanzen sind alle anderen NGT-Pflanzen, die nicht der Kategorie 1 entsprechen. Herbizid-tolerante Pflanzen fallen grundsätzlich stets unter Kategorie 2.
Kategorie 1 NGT-Pflanzen werden von den bestehenden Gentechnikregelungen ausgenommen, für sie gelten die Regelungen für konventionell gezüchtete Pflanzen. Daraus leitet sich ab: Kategorie 1 NGT-Pflanzen unterliegen keiner gentechnikspezifischen
● Risikobewertung (Gesundheit und Umwelt)
● Kennzeichnung für Verbraucher
● Rückverfolgbarkeit entlang der Warenkette
● Überwachung (Koexistenzmaßnahmen)
● Nachweisverfahren für Kategorie 1 NGT-Pflanzen sind nicht notwendig.
Kategorie 1 NGT-Pflanzen (und deren Produkte) können aber nicht vollkommen unreguliert freigesetzt oder auf den Markt gebracht werden. Sie müssen den Kriterien der Basisverordnung EC 178/2002 erfüllen. Für Freisetzungen und das Inverkehrbringen werden unterschiedliche Notifizierungsverfahren eingeführt. Die Notifizierungsverfahren werden jeweils von der nationalen kompetenten Behörde durchgeführt in dem die NGT-Pflanzen freigesetzt oder vermarket werden soll. In den Notifizierungsverfahren wird grundsätzlich die Zugehörigkeit zur Kategorie 1 überprüft. Das Notifizierungsverfahren soll innerhalb von 30 Arbeitstagen abgeschlossen werden, die Entscheidung wird im Amtsblatt veröffentlicht und ist für alle Mitgliedsstaaten bindend.
Für Kategorie 1 NGT-Pflanzen dürfen die Mitgliedsstaaten das Freisetzen oder das Inverkehrbringen nicht behindern oder verbieten. Eine opt-out Regelung ist somit nicht möglich.
Zur Information von Anwendern, Verbrauchern und insbesondere für Betriebe aus dem ökologischen Landbau und Herstellern von Erzeugnissen ohne Gentechnik wird die Kommission eine öffentlich zugängliche Datenbank (ein Register) für notifizierte NGT-Pflanzen der Kategorie 1 einrichten.
Saatgut für Züchtungs- oder Forschungszwecke muss mit „new genomic technique category 1“ gekennzeichnet werden.
Kategorie 2 NGT-Pflanzen
Alle NGT-Pflanzen, die nicht der Kategorie 1 zu geordnet werden können, fallen unter Kategorie 2.
Bei Kategorie 2-NGT-Pflanzen führt die Kommission leicht unterschiedliche Verfahren für das Freisetzen und dem Inverkehrbringen ein. In beiden Fällen müssen die NGT-Pflanzen einen Zulassungsprozess durchlaufen. Im Zulassungsprozess – wie bei GVO üblich - erfolgt jeweils einer Fall zu Fall Betrachtung und Entscheidung. Die Risikobewertung erfolgt in einem an die genetische Modifikation und dem resultierenden Expressionsprodukts angepassten Verfahren. Es orientiert sich aber grundsätzlich an die Leitlinien für gentechnisch veränderte Organismen (VO (EC) 1829/2003)).
In der Bewertung möglicher Auswirkungen von Kategorie NGT-2 Pflanzen auf die Umwelt sollen die Kriterien aus Annex II angewandt werden.
Kategorie NGT 2-Pflanzen, die nicht als Lebens- oder Futtermittel in Verkehr gebracht werden sollen, unterliegen einem Notifizierungsprozess.
Kategorie NGT 2-Pflanzen und daraus gewonnene Erzeugnisse müssen als GVO gekennzeichnet werden. Eine ergänzende erklärende Kennzeichnung zur Bedeutung der genetischen Veränderung ist möglich.
Entsprechend VO (EC) 1829/2003 und VO (EC) 1930/2003 ist eine Rückverfolgbarkeit vorgesehen.
Nachweisverfahren für Kategorie 2-Pflanzen sind notwendig. Die Möglichkeit ihrer Quantifizierung muss geben sein. In begründeten Fällen sind aber Ausnahmen möglich.
Koexistenzmaßnahmen zur Vermeidung unerwünschter Anteile von Kategorie 2-Pflanzen in konventionellen Pflanzen und Erzeugnisse sollen eingeführt werden.
Die Mitgliedsstaaten dürfen den Anbau von Kategorie NTG 2-Pflanzen unteruntersagen. Keine opt-out Möglichkeiten.
Kategorie NTG 2-Pflanzen dürfen nicht im ökologischen Landbau verwendet werden.
Bis zur geplanten Vorlage am 5. Juli 2023 kann sich der geleakte Vorschlag noch ändern. Erst danach beginnt der eigentliche politische Prozess, das Trilogieverfahren, in dem sehr wahrscheinlich weitere Änderungen eingefügt werden. Diese müssten dann noch das Europaparlament und die nationale Regierungen zustimmen.
Referenzen:
Geleakte Dokumente
Freisetzungsrichtlinie 2001/18/EC (https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CONSLEG:2001L0018:20080321:DE:PDF)
VO (EC) 1829/2003 (https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02003R1829-20080410&from=DA)
VO (EC) 1830/2003 (https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2003:268:0024:0028:de:PDF)
VO (EU) 2018/848 (https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02018R0848-20220101&from=EN)