EU-Agrarrat: Mehrheit für eine Änderung des Gentechnikgesetzes

Gentechnikrecht - Freisetzungsrichtlinie 2001/18/EG
Anpassung des Gentechnikrechts
EuGH-Urteil "Mutagenese" (C-528/16)

EU-Agrarministerrat: 14 Mitgliedstaaten befürworten ein einheitliches Vorgehen beim Gentechnikrecht

Im EU-Agrarministerrat stehen Diskussionen zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) meist im Vordergrund. In seiner Sitzung am 14.05.2019 erfolgten neben den Aussprachen zu technischen Einzelheiten zur Verwaltung der künftigen GAP auch zu einer möglicherweise notwendigen Überarbeitung des gegenwärtigen Gentechnikrechts auf der Tagesordnung. Letzterer Punkt wurde von den Niederlanden eingebracht und ergab sich letztlich auch aus dem EuGH-Urteil (C-528/16) zu Mutageneseverfahren, nachdem alle Organismen, die mit Hilfe dieser Verfahren (die klassischen und die neuen) erzeugt wurden, als gentechnisch veränderten Organismen gelten und entsprechend reguliert werden müssen. Nach dem von den Niederlanden vorgelegten Diskussionsvorschlag sollen Organismen, die durch Genome-Editing-Verfahren gewonnen wurden klar von denen aus der klassischen Gentechnik unterschieden und geregelt werden. Diesem Vorschlag schloss sich Estland an und 12 weitere Mitgliedsstaaten (Belgien, Zypern, Finnland, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Italien, Portugal, Slowenien, Spanien, Schweden und das Vereinigte Königreich) sprachen sich dafür aus, dass das gegenwärtige Gentechnikrecht an die wissenschaftlichen und technischen Entwicklungen angepasst werden sollte. Polen sprach sich strikt dagegen aus, da polnische Bevölkerung mit der gegenwärtigen Regelung voll zufrieden sei.
EU-Kommissar Hogan erklärte, dass erst die neue EU-Kommission eine Anpassung des Gentechnikgesetzgebung entsprechend dem Stand von Wissenschaft und Technik angehen könne und hierfür jedoch weitere Vorschläge / Initiativen aus den EU-Mitgliedsstaaten notwendig seien. Offensichtlich haben bislang kaum Mitgliedsstaaten Vorschläge zu möglichen Änderungen /Anpassungen des Gentechnikrechtes der EU-Kommission übermittelt.    
Nach Aussagen von Agrarstaatssekretär Aeikens stünde Deutschland einer Diskussion in Sachen Gentechnikrecht offen gegenüber. Unklar bleibt jedoch ob sich Deutschland aufgrund der Vereinbarungen im Koalitionsvertrag und den konträren Meinungen der Ministerin für Landwirtschaft Glöckner und der von Ministerin für Umwelt Schulze sich tatsächlich aktiv und konstruktiv mit Vorschlägen bei der EU-Kommission vorstellig werden können. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass sich Deutschland jeglicher Stellungnahme enthalten wird. 

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Weitere Informationen:

Vorschlag der Niederlande: "Proposal for discussion on actions to improve the exemption mechanism under Directive 2001/18/EC " vom 1. September 2017. Bemerkenswert: Der Vorschlag stammt aus dem Jahr 2017; mehr als ein Jahr vor der Verkündung des EuUGH-Urteils.Vollstandiger Text  (in Eglisch) des niederländischen Vorschlag als pdf-Datei. Nachfolgend eine Übersetzung einiger Passagen.

Dieses Dokument stellt einen Diskussionsvorschlag über Maßnahmen für eine Ausnahmeregelung für genetisch veränderte Pflanzen gemäß der Freisetzungsrichtlinie 2001/18/EG dar. Hauptziel ist es, eine Diskussion darüber herbeizuführen, ob die EU-Behörden die Auffassung teilen können, dass die Richtlinie nicht für Pflanzen gelten sollte, die sich aus der Anwendung neuer Pflanzenzüchtungsverfahren (NPBTs) ergeben, sofern diese Pflanzen mindestens genauso sicher sind wie Pflanzen, die aus der traditionellen Züchtung gewonnen werden. Darüber hinaus werden in diesem Vorschlag Möglichkeiten zur Diskussion gestellt, wie dies erreicht werden könnte.

Dieses Dokument besteht aus 5 Absätzen.
  •  Zunächst wird die Begründung für diesen Vorschlag vorgestellt (§1).
  •   Es folgt eine Erläuterung der Notwendigkeit einer Überprüfung der Gesetzeslage durch die Politik und kurzfristiger Maßnahmen   im Bereich der Pflanzenzüchtung (§2).   
  •   Anschließend werden die Leitsätze für die Ausarbeitung des Antrags vorgestellt (§3).
  •   In §4 ist der Vorschlag zur Änderung von Anhang IB der Richtlinie 2001/18/EG enthalten.
  •   Schließlich wird die Begründung für den Antrag gegeben (§5).
Die Niederlande würden eine Diskussion zwischen den Mitgliedstaaten, den zuständigen Behörden und der Europäischen Kommission begrüßen und ersuchen gegebenenfalls um Rückmeldungen zu diesem Aktionsvorschlag.

Anhang I B
IN ARTIKEL 3 GENANNTE TECHNIKEN
  I.   Die in Artikel 3 genannten Techniken der genetischen Veränderung, auf die diese Richtlinie nicht anwendbar ist, dürfen bei ihren
       Anwendungen nur solche Organismen hervorbringen, die keine rekombinanten Nukleinsäuremoleküle mehr enthalten, die für oder
       während der Modifikation verwendet werden, und keine genetisch veränderten Organismen enthalten, die keine anderen sind als
       die, die durch eine oder mehrere der in diesem Anhang genannten Techniken, Methoden oder Anwendungen hergestellt werden.

 II.   Was die Nichtanwendung dieser Richtlinie auf die in diesem Anhang genannten Techniken betrifft, so hat jede Person, die einen
       mit diesen Techniken gewonnenen genetisch veränderten Organismus absichtlich freisetzt, auf Ersuchen der Kommission oder
       einer zuständigen Behörde eines Mitgliedstaats unverzüglich eine schriftliche Begründung für die Erfüllung der Bestimmungen
       dieses Anhangs vorzulegen.

  III. Unbeschadet der oben genannten Bedingungen sind die in Artikel 3 genannten Techniken:
A) die folgenden Techniken, Methoden oder Anwendungen davon:
    (1) konventionelle zufällige Mutageneseverfahren unter Verwendung ionisierender Strahlung oder mutagener chemischer
         Mittel;
   (2) Zellfusion (einschließlich Protoplastenfusion) von Pflanzenzellen von Organismen, die genetisches Material durch
        traditionelle Zuchtmethoden austauschen können;

B) Techniken, Verfahren oder Anwendungen davon, die zu Pflanzen führen, vorausgesetzt, dass:
    (1) kein anderes genetisches Material in die entstehende Pflanze eingebracht wird als genetisches Material derselben
         Pflanzenart oder einer Pflanzenart, mit dem sie genetisches Material durch traditionelle Zuchtmethoden austauschen kann,
         und
   (2) rekombinante Nukleinsäuremoleküle, die für oder während der Modifikation verwendet werden, sind in der resultierenden
        Pflanze, die für eine gezielte Einführung in die Umwelt bestimmt ist, nicht mehr vorhanden.

IV.     Alle fünf Jahre überprüft die Kommission nach Konsultation der relevanten Interessengruppen und in Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten diesen Anhang. Die erste Überprüfung ist bis zum 1. Januar 2023 abzuschließen. ¨

Pressemeldungen:

Informationsdienst Gentechnik: Europa: Mehrheit der Agrarminister will Gentechnikrecht überarbeiten
Eine Mehrheit der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) hat sich beim Agrarrat am Dienstag dafür ausgesprochen, dass die nächste Europäische Kommission das Gentechnikrecht zeitnah entsprechend der wissenschaftlichen und technologischen Entwicklungen überarbeiten soll.
Awater-Esper S.: Klöckner wirbt für Technologieoffenheit in der Landwirtschaft
Neue Pflanzensorten und Digitalisierung sind für Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner der Schlüssel, die Sicherung der Welternährung und der natürlichen Ressourcen zu vereinbaren. Dabei betont sie ihre Offenheit für neue Technologien. Bundesentwicklungsminister Müller ruft derweil erneut zur Zertifizierung von Sojaeinfuhren auf.
Awater-Esper S.: Schulze stellt sich in der Pflanzenzucht gegen Klöckner
Bundesumweltministerin Svenja Schulze gibt Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner bei der Bewertung neuer Züchtungstechniken einen Korb. Sie beharrt darauf, diese als Gentechnik einzustufen. Damit reist Klöckner erneut ohne gemeinsame Regierungsmeinung nach Brüssel, wo die Pflanzenzüchtung nächste Woche Thema ist.
Lehmann N.: SPD-Fraktionsvize droht mit Blockade von Agrargesetzen
Die SPD-Fraktion will Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner zum "Paradigmenwechsel" in der Agrarpolitik zwingen. Andernfalls droht der Koalitionspartner mit einer Blockade.
Auf Vertragstreue pocht der SPD-Politiker auch in der Gentechnik. Unter keinen Umständen werde man zulassen, die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu molekularen Züchtungsmethoden zum Anlass für Lockerungen in der EU-Richtlinie für gentechnisch veränderte Organismen (GVO) zu nehmen.


bgf-Jany03.06.2019

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