Anhörung im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft am 16.01.2017
Am 16. Januar 2017 fand die öffentliche Anhörung zur geplanten Änderung des Gentechnikgesetzes im
► Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft
des Bundestagestages statt. Als Sachverständige waren geladen:
Heike Moldenhauer, Leiterin Gentechnik-Politik,Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND), Berlin und
Staatssekretärin Dr. Beatrix Tappeser, Hessisches Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Wiesbaden als Verbandsvertreter
sowie die Einzelsachverständige
Dr. Georg Buchholz, Berlin
Prof. Dr. Hans-Georg Dederer, Universität Passau, Juristische Fakultät, Passau
Prof. Dr. Hans-Jörg Jacobsen, Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Universität Hannover, Institut für Pflanzengenetik, Hannover
Wolfgang Koehler, Bonn
Prof. Dr. Joachim Schiemann, Julius Kühn-Institut (JKI), Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Quedlinburg
Experten kritisieren Gentechnikgesetz der Bundesregierung
Der Entwurf zur geplanten Änderung des Gentechnikgesetzes durch die Bundesregierung (18/10459) stößt bei Experten auf Kritik. In einer Anhörung des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft des Bundestages am Montag, 16. Januar 2017, bemängelten die Sachverständigen, dass der Entwurf zu kompliziert sei. Einerseits erschwere der Entwurf die Durchsetzung eines Anbauverbotes für gentechnisch veränderte Pflanzen (GVO), andererseits könnte durch das Gesetz eine wichtige Zukunftstechnologie riskiert werden.
Ausschussvorsitzender Alois Gerig (CDU/CSU) erläuterte zu Beginn, dass sich die Anhörung sowohl einem Entwurf der Bundesregierung als auch einem Entwurf des Bundesrates (18/6664) widme, die Anbaubeschränkungen oder Verbote für GVO in Deutschland ermöglichen sollen. Als rechtliche Grundlage dient die sogenannte Opt-out-Regelung auf Grundlage der Richtlinie (EU) 2015/412 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2015 zur Änderung der Richtlinie 2001/18/EG. Opt-out meint eine Ausnahmeregelung für EU-Mitgliedstaaten, nationale Anbauverbote oder Beschränkungen für gentechnisch veränderte Pflanzen in ihrem Hoheitsgebiet oder in Teilen davon beschließen zu dürfen.
BUND befürchtet einen Flickenteppich
Die Leiterin Gentechnik-Politik beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., Heike Moldenhauer (BUND), trat für ein Anbauverbot gentechnisch veränderter Pflanzen ein. Ihrer Ansicht nach nutzt die Bundesregierung den durch die EU-Richtlinie eröffneten Spielraum nicht aus. Obwohl die Vorbehalte der Bevölkerung gegenüber der Gentechnik sogar im Koalitionsvertrag festgehalten seien, werde der Gesetzentwurf der Ablehnung nicht gerecht. „Es werden hohe Hürden aufgebaut, die ein bundesweites Anbauverbot unmöglich machen“, meinte Moldenhauer.
Die Verantwortung würde auf die Bundesländer abgewälzt. Es sei illusorisch, innerhalb von 45 Tagen ein „Einvernehmen“ zwischen sechs Bundesministerien für einen Verbotsbeschluss herbeiführen zu wollen. Ein Veto würde genügen, jedes nationale Anbauverbot zu verhindern. Moldenhauer forderte, die Beteiligung aller Bundesministerien zu streichen. Sollte der Gesetzentwurf verabschiedet werden, leiste dieser einem „Flickenteppich“ Vorschub, wenn nicht alle Bundesländer Anbauverbote verhängen. Mittelfristig drohe dadurch der Verlust der Gentechnikfreiheit für in Deutschland erzeugte landwirtschaftliche Produkte.
Bundesländer bevorzugen eigenen Gesetzentwurf
Die Vertreterin der Bundesländer, Staatssekretärin Dr. Beatrix Tappeser vom Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Hessen, hob indes die Vorzüge des Gesetzentwurfs des Bundesrates hervor. Ziel sei ein bundesweit zentrales und einheitliches Verfahren für Beschränkungen oder Verbote für den GVO-Anbau. „Doch dieser Entwurf wurde von der Bundesregierung im Rahmen der Stellungnahme abgelehnt“, monierte Tappeser. Der Bundesrat folge jedoch nicht der vom Bund vertretenen Einschätzung, dass eine höhere Rechtssicherheit nur bei Zuständigkeit der Länder erreicht werden könne. Regionale Aspekte könnten auch auf Bundesebene berücksichtigt werden.
Aus Sicht der Länder sei der vorgelegte Gesetzentwurf der Regierung deshalb als „enttäuschend“ zu beurteilen. Die Abstimmung unter so vielen Beteiligten werde nicht gelingen, kritisierte die Staatssekretärin. Der einfache und schlanke Weg, den die EU durch ihre Vorlage eröffnet habe, werde unnötig kompliziert gemacht. Bundesweite und flächendeckende Anbauverbote würden dadurch in weite Ferne rücken.
Experten äußern rechtliche Bedenken
Für den Einzelsachverständigen Dr. Georg Buchholz erweckte der Gesetzentwurf hingegen den Eindruck, eine gewollte bundesweite Regelung mit dem Ziel eines GVO-Verbots durchsetzen zu wollen. In der Praxis werde der Entwurf allerdings die Umsetzung dieses Ziels erschweren. Buchholz sah im Entwurf der Bundesregierung unnötig aufgebaute Hindernisse, indem die Einwilligung für Verbote und Beschränkungen von sechs Bundesministerien und einer Mehrheit der Bundesländer abhängig ist. Außerdem sah der Sachverständige in der Regelung eine „verfassungswidrige Mischverantwortung“ zwischen Bund und Ländern angelegt, die die Rechtssicherheit der getroffenen Beschlüsse infrage stelle. „Der Bundesratsentwurf eignet sich besser“, lautete das Fazit des Experten.
Der Einzelsachverständige Wolfgang Koehler beurteilte die EU-Richtlinie in ihrer Zielsetzung als eher „gentechnikfreundlich“ und weniger als „feindlich“. Allerdings mache der Regierungsentwurf seiner Meinung nach alles kompliziert. Für unglücklich hielt Koehler außerdem, dass das Bewertungsverfahren die Diskussion über die ökonomische Sinnhaftigkeit von GVO nicht ermöglicht und sich nur auf den Aspekt der Sicherheit fokussiere. Das sei aber der falsche Ansatz.
Schwerwiegende verfassungs-, unions- und welthandelsrechtliche Bedenken äußerte Prof. Dr. Hans-Georg Dederer von der Juristischen Fakultät der Universität Passau. Seiner Ansicht nach zielt die Änderung einzig auf ein Verwendungsverbot für als sicher befundene Produkte. Denn Verbote würden letzten Endes gegenüber GVO ausgesprochen, die durch EU-Kontrollbehörden auf Basis wissenschaftlicher Expertisen sowie entsprechend der Sicherheits-, Umwelt- und Gesundheitsregeln erlaubt worden sind. „Das wäre das Ende der grünen Gentechnik“, sagte er.
Wissenschaftler fürchten um Zukunftstechnologien
In eine ähnliche Kerbe schlug auch Prof. Dr. Hans-Jörg Jacobsen vom Institut für Pflanzengenetik der Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Universität Hannover, der feststellte, dass im Ausland neue Techniken wie das Genome Editing bereits angewendet würden. Der Wissenschaftler befürchtete negative Auswirkungen durch die Einführung des Opt-out im Hinblick auf neue Züchtungstechniken, die er nicht zur Gentechnik zählte und deshalb auch nicht als regelungsbedürftig erachtete. Den Gesetzentwurf der Bundesregierung bezeichnete Jacobsen allerdings als nachvollziehbar, weil die Forschung in der Bundesrepublik wieder aufgebaut werden müsse. Deshalb forderte er, dass das Einvernehmen des Bundesforschungsministeriums bei entsprechenden Entscheidungen erforderlich sein muss, um die Notwendigkeit einer wissenschaftlichen Begründung für Anbauverbote zu erhalten.
Ebenfalls als nicht erforderlich betrachtete Prof. Dr. Joachim Schiemann vom Julius-Kühn-Institut den Erlass nationaler Anbauverbote für GVO, die auf Grundlage einer wissenschaftlichen Risikobewertung für den Anbau in Europa zugelassen sind. Für Schiemann stelle das Gesetz im Vergleich zur vorherigen Regelung aber eine Verbesserung dar, denn nun müssten die Gründe für Verbote klar benannt werden und mit dem Verweis auf unwissenschaftliche Begründungen erfolgen. Fragwürdige wissenschaftliche Begründungen müssten dann nicht mehr bemüht werden, um politische Entscheidungen zu legitimieren. Der Wissenschaftler warnte in seiner Stellungnahme zudem davor, mit dem Gesetz Innovationen zu behindern. Auch Schiemann sah im Genome Editing ein großes Potenzial und eine wichtige Zukunftstechnologie.
Entwurf der Bundesregierung
Mit dem Entwurf der Bundesregierung soll eine rechtssichere Grundlage für die "Opt-out"-Regelung schaffen. Danach sollen in Deutschland der Bund und die Länder gemeinsam über den Genpflanzenanbau bestimmen. Das Gentechnikgesetz sieht dafür ein Verfahren vor, wonach die Unternehmen den Anbau von GVO auf EU-Ebene beantragen sollen.
Noch während des Antragsverfahrens soll die Bundesrepublik den Antragsteller im gleichen Schritt auffordern können, das Hoheitsgebiet Deutschlands vom Anbau auszunehmen. Die Bundesländer seien in diesem Rahmen angehalten, dazu Stellungnahmen an das Bundeslandwirtschaftsministerium abzugeben. Stimmt die Mehrheit der Länder für ein Verbot, soll dies dem Unternehmen durch das Bundesministerium mitgeteilt werden. Hat sich der Antragsteller dazu nicht geäußert oder zugestimmt, würde der Anbau umgehend reglementiert.
Verbote als letzter Schritt
Wird dem Beschluss jedoch widersprochen, muss die Bundesregierung den Anbau für ganz Deutschland aus wichtigen Gründen beschränken oder verbieten. Andernfalls hätte das Unternehmen die Möglichkeit, dem Verbot nur für ein Teilgebiet Deutschlands nachzukommen. Die Begründung könne aber nur aus einem regionalen oder lokalen Kontext erfolgen, der gleichzeitig für das gesamte Bundesgebiet gültig sein muss. Ist es bis zu diesem Punkt noch nicht zu einem flächendeckenden Anbauverbot gekommen, sollen die Bundesländer in einem letzten Schritt Verbote mithilfe von Verordnungen auf Basis zwingender Gründe durchsetzen können.
Dafür kämen umweltpolitische Ziele in Betracht, wie der Schutz der biologischen Vielfalt, oder sozioökonomische Auswirkungen, etwa auf die kleinbäuerliche Landwirtschaft, und agrarpolitische Ziele, zum Beispiel die Förderung des ökologischen Landbaus oder der Reinheit des Saatguts in Gebieten mit Saatgutvermehrungsflächen. Darüber hinaus sollen auch die Stadt- und Raumordnung, die Bodennutzung oder die Wahrung der öffentlichen Ordnung zur Begründung angeführt werden können. (eis/16.01.2017)
Quelle:
http://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2017/kw03-pa-landwirtschaft-gentechnik/485782
Heute im Bundestag Nr. 018 - 17. Januar 2017 - 09.36 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
PuK 2 – Parlamentskorrespondenz
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
Die Stellungnahmen der Sachverständigen sind unter
http://www.bundestag.de/ausschuesse18/a10/anhoerungen/oeeffentliche-anhoerung-am-16-januar-2017-15-uhr/485738
abrufbar.
Anmerkungen zu einzelnen Stellungnahmen:
Der BUND plädiert für ein generelles und bundesweites Anbauverbot von gentechnisch (gv) veränderten Pflanzen, deshalb muss das Gesetz so ausgestaltet werden, dass ein Anbauverbot ohne besondere Begründungen und ohne Hürden verhängt werden kann. Aus den Ausführungen geht nicht hervor, ob der BUND, wie es nahestehende Verbände und einige Politiker bereits fordern, auch für eine Verankerung des Anbauverbotes bzw. eines Verbot der Freisetzung von GMOs in das Grundgesetz einsetzt. Aber offensichtlich ist, dass der erreichte Ausstieg Deutschlands aus der Grünen Gentechnik nun auch gesetzlich festgeschrieben werden soll.
Für den BUND steht bereits fest, dass die neuen Züchtungstechniken ohne Einzelprüfung unter das Gentechnikgesetz fallen und deshalb die gewonnenen Pflanzen (GMOs) nach allen Vorgaben der Gentechnikgesetzgebung reguliert werden müssen. Bei seinen Ausführungen verkennt der BUND aber, dass die Bewertung der gv-Pflanzen stets verfahrens- und produktbezogen war bzw. ist. Lediglich die Kennzeichnungspflicht ist verfahrensbezogen. Offensichtlich ist auch hier, dass der BUND der deutsche Landwirtschaft und Pflanzenzüchtung die Anwendung von neuen innovativen Methoden verweigern will, die nicht ihren Vorstellungen entsprechen.
RA Buchholz sieht in Paragraph 1, Nr. 2 des GenTG ein Hauptproblem für ein nachhaltiges Anbauverbot. In diesem Paragraphen wird auf die Koexistenz unterschiedlicher Landwirtschaftsformen abgehoben. Diese Koexistenz auch gegenüber dem Anbau von gv-Pflanzen steht einem generellen uneingeschränkten Anbauverbot aber entgegen. Er fordert deshalb, dass in § 1, Nr. 2 die Koexistenz eingeschränkt werden muss.
Die Ausnahme des Anbauverbotes für Forschungszwecke erachtet RA Buchholz unnötig, da sich einerseits die opt-out Richtlinie nur auf den kommerziellen Anbau bezieht und anderseits die Modalitäten für Freisetzungen für wissenschaftliche Zwecke bereits hinreichend geregelt sind. Dies ist sicherlich richtig. Einer Freisetzung für Forschungszwecke steht gesetzlich nicht entgegen. Er verkennt allerdings das Umfeld in der dann die Freisetzung erfolgen soll, insbesondere dann, wenn per Gesetz die Region als „gentechnikfrei“ ausgewiesen ist.
Prof. Dederer weist auf schwerwiegende Probleme in Bezug auf das Unions- und Welthandelsrecht hin, wie er diese bereits 2014 ausführlich in seinem Rechtsgutachten für das BMBF aufgezeigt hatte. Er weist darauf hin, dass die opt-out Richtlinie letztlich das Aus für die Anwendung von Pflanzen aus der klassischen Gentechnik in Deutschland bedeutet.
Dederer H.-G. (2014): Nationale „opt-out“ Möglichkeiten beim Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen.
https://www.bmbf.de/files/Rechtsgutachten_Prof._Dr._Dederer.pdf
17.01.2017