Genome Editing ist nicht immer Gentechnik und führt nicht immer zu GVOs
In der Pressemitteilung heißt es:
„Nach Ansicht von Generalanwalt Bobek sind durch Mutagenese gewonnene Organismen grundsätzlich von den in der Richtlinie über genetisch veränderte Organismen geregelten Verpflichtungen ausgenommen“
Das Verfahren: Rechtssache C-528/16: Confédération paysanne, Réseau Semences Paysannes, Les Amis de la Terre France, Collectif vigilance OGM et Pesticides 16, Vigilance OG2M, CSFV 49, OGM dangers, Vigilance OGM 33,Fédération Nature & Progrès
gegen
Premier ministre, Ministre de l’agriculture, de l’agroalimentaire et de la forêt
(Vorabentscheidungsersuchen des Conseil d’État (Staatsrat, Frankreich))
Die Kläger: Ein Landwirtschaftsverband (Confédération paysanne) hat gemeinsam mit weiteren Tier- und Naturschutzverbänden beim Staatsrat (Conseil d’État) gegen die Umsetzung der Freisetzungsrichtline 2001/18/EG (GVO-Richtline) Klage erhoben. Hier sollten die neuen Mutagenese-Verfahren (z. B. Genome Editing) von den umfassenden strengen Regelungen des allgemeinen Gentechnikrechtes ausgenommen werden. Ähnlich wie es bereits in Anhang 1B für seit langem angewandte Verfahren, wie die strahlen-induzierte oder chemische Mutagenese, praktiziert und akzeptiert wird. Die Kläger sind der Ansicht, dass die neuen Mutagene-Verfahren, da sie neu sind, mit noch unbekannten Risiken behaftet sind.
Das Gericht (Conseil d’État): Das Gericht sah diese Angelegenheit für alle EU-Mitgliedsstaaten als übergeordnet an und hat in einem Vorabentscheidungsverfahren zur Klärung des Anwendungs- und Ausnahmebereichs der GVO-Richtlinie den EuGH angerufen. Insbesondere sollte geklärt werden:
- Sind durch Mutagenese gewonnene Organismen genetisch veränderte Organismen im Sinne von Art.2 der Richtlinie 2001/18, obwohl sie nach Art.3 und Anhang I B der Richtlinie von den Verpflichtungen bezüglich der Freisetzung und des Inverkehrbringens von genetisch veränderten Organismen ausgenommen sind? Können insbesondere Mutageneseverfahren, vor allem die neuen Verfahren der gezielten Mutagenese unter Einsatz gentechnischer Verfahren als in Anhang I A, auf den Art. 2 verweist, aufgeführte Verfahren angesehen werden? Sind die Art.2 und 3 sowie die Anhänge I A und I B der Richtlinie 2001/18 demzufolge dahin auszulegen, dass sie von den Maßnahmen der Vorsorge, der Verträglichkeitsprüfung und der Rückverfolgbarkeit alle durch Mutagenese gewonnenen genetisch veränderten Organismen und ebensolches Saatgut ausnehmen oder nur diejenigen Organismen, die mit den schon vor Erlass der Richtlinie bestehenden konventionellen Methoden der Zufallsmutagenese durch ionisierende Strahlung oder chemische Mutagene erzeugt wurden?
- Stellen durch Mutagenese gewonnene Sorten genetisch veränderte Sorten im Sinne von Art. 4 der Richtlinie 2002/53 dar, die nicht von den in dieser Richtlinie vorgesehenen Verpflichtungen ausgenommen wären? Oder stimmt der Anwendungsbereich dieser Richtlinie vielmehr mit dem sich aus den Art.2 und 3 sowie Anhang I B der Richtlinie 2001/18 ergebenden überein, und sind durch Mutagenese gewonnene Sorten auch von den Verpflichtungen ausgenommen, die die Richtlinie 2002/53 in Bezug auf die Eintragung genetisch veränderter Sorten in den gemeinsamen Katalog für landwirtschaftliche Pflanzenarten vorsieht?
- Stellen die Art. 2 und 3 sowie Anhang I B der Richtlinie 2001/18 insoweit, als sie die Mutagenese vom Anwendungsbereich der in der Richtlinie vorgesehenen Verpflichtungen ausnehmen, eine Maßnahme der vollständigen Harmonisierung dar, die es den Mitgliedstaaten untersagt, durch Mutagenese gewonnene Organismen ganz oder teilweise den in der Richtlinie vorgesehenen oder anderen Verpflichtungen zu unterwerfen, oder verfügten die Mitgliedstaaten bei ihrer Umsetzung über ein Ermessen hinsichtlich der Festlegung der Regelung für durch Mutagenese gewonnene Organismen?
- Kann die Gültigkeit der Art.2 und 3 sowie der Anhänge I A und I B der Richtlinie 2001/18 insoweit, als diese Bestimmungen für durch Mutagenese gewonnene genetisch veränderte Organismen keine Maßnahmen der Vorsorge, der Verträglichkeitsprüfung und der Rückverfolgbarkeit vorsehen, im Hinblick auf das in Art.191 Abs. 2 AEUV verankerte Vorsorgeprinzip in Frage gestellt werden, wenn man die Entwicklung der gentechnischen Verfahren, die Entstehung neuer Pflanzensorten, die durch diese Verfahren gewonnen werden, und die derzeitigen wissenschaftlichen Unsicherheiten hinsichtlich der Auswirkungen dieser Verfahren und der damit verbundenen potenziellen Risiken für die Umwelt und die Gesundheit von Mensch und Tier bedenkt?
Frage 1: Begriff der Mutagenese und Anwendung
Hiermit stellt GA Bobek klar, dass durch Mutagenese gewonnene Organismen grundsätzlich von den in der GVO-Richtlinie über genetisch veränderte Organismen geregelten Verpflichtungen ausgenommen sind. Er verweist weiter darauf, dass der Gesetzgeber seiner Zeit die Mutagenese-Verfahren nicht abschließend ausschließlich auf die sicheren und seit langem angewandten Mutagenese-Verfahren verstanden wissen wollte, sondern fortschreibend auch alle neuen Verfahren bei denen nicht zur Einführung neuem genetischem Material kommt, sondern nur zu inhärenten Veränderungen im Genom (z. B. Punktmutationen) kommt.
Hier wird nun das Endprodukt als maßgebend für die Regulierung und nicht das Verfahren – der Weg zur genetischen Veränderung - angesehen. Für die Bewertung der Sicherheit für Mensch und Umwelt steht das Produkt im Vordergrund und wenn die Veränderung im Genom durch eine Mutagenese, wie sie auch unter natürlichen Bedingungen vorkommen könnte, kann eine solche Risikobewertung entfallen.
Frage 2 bezieht sich im engeren Sine auf die durch neue Züchtungsverfahren gewonnenen herbizid-toleranten Rapssorten.
Frage 3 beinhaltet Möglichkeiten einer generellen Harmonisierung oder auch einer nationalen Gesetzgebung.
Frage 4 befasst sich mit dem Vorsorgeprinzip, Verträglichkeitsprüfungen und Rückverfolgbarkeit.
Die Empfehlungen des Generalanwalts sind für den EuGH nicht bindend; allerdings folgt er ihnen den meisten Fällen. Folgt der EuGH den Empfehlungen von GA Bobek braucht das Gentechnikrecht in Hinsicht auf die neuen Züchtungsmethoden nicht geändert oder erweitert werden.
GA Bobek - EuGH
Vorabentscheidung von Generalanwalt Bobek zur Mutagenese und Gentechnik:
Pressemeldung: German: http://bit.ly/2Dlgsav
English:https://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2018-01/cp180004en.pdf
Vollständiger Text: deutsch: http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=198532&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1&cid=779174#Footref12
English: http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=198532&pageIndex=0&doclang=EN&mode=req&dir=&occ=first&part=1&cid=779292
einige weitere Reaktion:
PRRI :
http://www.prri.net/according-advocate-general-bobek-organisms-obtained-mutagenesis-principle-exempted-obligations-genetically-modified-organisms-directive/
Abbott A. (2018):
Europe court suggests relaxed gene-editing rules
Judicial opinion says restrictive regulations may not apply to plants and animals bred using CRISPR technique.
https://www.nature.com/articles/d41586-018-01013-5?WT.feed_name=subjects_climate-sciences
EuropaBio (2018):
One step closer to legal clarity in plant breeding / Our take on the CJEU Advocate General opinion
GAIN Report Number: E 18003 (2018):
Advisory Legal Opinion Expected for New Plant Breeding Techniques
GM-Watch (2018):
Modern mutagenesis techniques are genetic engineering and give rise to GMOs
http://gmwatch.org/en/news/archive/2018/18077
spätere Stellungnahmen
Glas G. (2018):
Position paper on the opinion of advocate general Bobeck delivered on 18. January 2018 in case C-528/16
http://european-seed.com/advocate-general-bobek-say-exactly/
Glas G. and Carmeliet T. (2018): The European Court to rule on milestone in European GMO legislation: the legal classification of mutagenesis
in plant breeding . Bio.Science Law Review 16 (2), 91-103
http://www.allenovery.com/SiteCollectionDocuments/16.2%20ARTICLE%203%20(final).pdf
Ludwig Krämer (2018):
The genome editing technique is covered by Directive 2001/18. Comment on Advocate Bobeks Opinion in case C-528/16
Legal analysis by Professor, commissioned by Testbiotech, Germany.
https://www.testbiotech.org/sites/default/files/Legal%20dossier_GMO%20-%20genome%20editing_2018.pdf
Belgian Biosafety Server:
Targeted genome editing ( Regulatory considerations)
https://www.biosafety.be/content/targeted-genome-editing
bgf-Jany, 20.01.2018 /31.05.2018