Dr. Peter Langelüddeke Hofheim, den 29.01.2018
Nelkenweg 5
65719 Hofheim am Taunus
Offener Brief
Frau
Ute Vogt,
Stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion
Platz der Republik 1
11011 Berlin
cc: Andrea Nahles, Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion
Martin Schulz, MdB, Bundesvorsitzender der SPD
Thorsten Schäfer-Gümbel, MdL, Landesvorsitzender SPD Hessen
Gisela Stang, Stellvertretende Landesvorsitzende der SPD Hessen
Gernot Grumbach, Bezirksvorsitzender der SPD Hessen-Süd
Bernhard Köppler, Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Hofheim
und weitere SPD-Mitglieder
Betreff und Bezug: Grüne Gentechnik
- Entwurf für das Vierte Gesetz zur Änderung des Gentechnik-Gesetzes, Bundestagsdrucksache 19/14 vom 27.10.2017
- Pressemitteilung der SPD-Bundestagsfraktion vom 27.10.2017
- Mein Schreiben an Andrea Nahles und Ute Vogt vom 01.11.2017
- Meine E-Mail an Andrea Nahles und Ute Vogt vom 27.11.2017
- Ergebnisse der Sondierungsgespräche von CDU, CSU und SPD vom 12.01.2018
Liebe Genossin Ute Vogt,
Die Fraktion hatte unter Deiner Federführung Ende Oktober einen Entwurf zur Änderung des Gentechnik-Gesetzes vorgelegt: Das sollte es ermöglichen, den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen bundesweit einheitlich und rechtssicher zu verbieten. Ihr hattet in einer triumphierenden Presse-Mitteilung "Mit gutem Gewissen gegen Grüne Gentechnik" darauf aufmerksam gemacht.
Kannst Du Dich an mein kritisches Schreiben vom 1. November erinnern? In dem ich am Ende gefragt hatte: "Welche konkreten Gefahren gehen von gentechnisch veränderten Pflanzen, deren Zulassung für den Anbau in einem aufwendigen Verfahren durch die EU Lebensmittel-Behörde EFSA geprüft wurde, für die Umwelt und/oder für die Gesundheit der Verbraucher aus? Gefahren, die so groß sind, dass man – gegen das EFSA-Votum - ihren Anbau verbieten muss?"
Nachdem ich darauf keine Antwort erhalten hatte, hatte ich euch (Andrea Nahles und Dich) am 27.11. noch einmal daran erinnert. Und wieder habe ich keine Antwort bekommen.
Hier steh' ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor.
Das ist leider der Stil, mit dem ich seit Jahren von der Bundestagsfraktion der SPD, meiner Partei, konfrontiert wurde: Da gab es Abgeordnete - vor allem die langjährige verbraucherpolitische Sprecherin Elvira Drobinski-Weiß - die sich immer wieder im Verdammen der Grüne Gentechnik zu profilieren versuchten, die es aber nicht für nötig hielten, auf kritische Fragen eines Wählers zu antworten. Die sich im Besitz der allein selig machenden Wahrheit wähnten - als ob sie einen Auftrag von irgendeiner überirdischen Macht erhalten hätten. Und sich eisern im Schweigen übten. Die es für überflüssig oder gar unzumutbar hielten, auf unerwünschte und daher blöde Fragen eines offenbar geistig zurück gebliebenen Provinz-Gruftis, der sich weigert, im grünen Zeitgeist mit zu flattern, zu antworten.
Zum Teufel noch mal: Was ist eigentlich an meinen Fragen so schwierig? Da kann man fragen und fragen und fragen - und bekommt prinzipiell keine Antwort. Ich bin wiederholt von Kollegen angesprochen worden, die mich fragten, warum die SPD der Grünen Gentechnik so kritisch gegenüber steht. Und ich konnte darauf nur antworten "Ich weiß es nicht". Bisweilen habe ich mich drastischer - hier nicht zitierfähig - ausgedrückt. Die Lust, für diese Partei zu werben, ist mir seit Jahren gründlich vergangen.
Noch einmal zum Teufel: Warum bringt diese Partei, insbesondere die Bundestagsfraktion, es nicht fertig, sich umfassend zu informieren, vor allem bei unseren großen Forschungs-Organisationen? Allen voran bei unserer Nationalen Akademie der Wissenschaften, der Leopoldina in Halle? Oder bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft? Oder bei der Max-Planck-Gesellschaft? Oder bei der Leibniz-Gemeinschaft? Oder ganz einfach beim Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)? Die sich alle wiederholt Pro Grüne Gentechnik ausgesprochen hatten. Und dann den Wählern klar zu sagen: Von Pflanzen, die erst nach intensiver wissenschaftlicher Prüfung zum Anbau zugelassen wurden, gehen keine Gefahren aus. Könnte diese Partei nicht mal ein bisschen Mut aufbringen? Es könnte ja sein, dass Wähler Mut honorieren. Soll schon vorgekommen sein! Aber ihr verschließt Augen und Ohren. Es ist so wunderbar bequem, vor einem Dogma der Grünen in die Knie zu gehen. Es gab mal in einem Bundestagswahlprogramm den schönen Satz "Wir werden eine Innovationsoffensive starten" und dann stand an erster Stelle "in der Bio- und Gentechnologie". Aber das war 1998, also im finsteren vorigen Jahrhundert.
Dann fand ich in den Ergebnissen der Sondierungsgespräche auf Seite 23 den Satz : "Patente auf Pflanzen und Tiere lehnen wir ab. Wir halten an der Saatgutreinheit fest. Ein Gentechnikanbau-Verbot werden wir bundesweit einheitlich regeln (Opt-Out-Richtlinie der EU)."
Wer hat nur diesen Unsinn da hinein geschrieben?
Auf das Thema Patente und Saatgutreinheit will ich hier nicht eingehen: Was aber soll ein bundesweit einheitliches Gentechnik-Anbauverbot? Abgesehen von dem sprachlichen Unsinn: Eine Technik kann man nicht anbauen - wie will man dann einen Anbau, der nicht möglich ist, verbieten? Das klang sehr nach SPD - oder irre ich mich da? Mich wundert, dass die CU das so akzeptiert hat - bei der CSU bin ich mir nicht sicher. Ich sage euch eins voraus: Wenn das so im Koalitionsvertrag stehen wird, werde ich beim Mitgliederentscheid mit einem dicken NEIN stimmen. Und sollte es so weit kommen, dass die Grüne Gentechnik mit Hilfe der SPD aus Deutschland vertrieben wird, werde ich nach mehr als 45 Jahren austreten.
Wenn nun aber die Praxis, euren Forderungen entsprechend, keine transgenen Pflanzen mehr anbauen darf, wird sich jede Forschung in Zukunft erübrigen. Dafür sorgen dann schon der Bundesrechnungshof oder der Bund der Steuerzahler. Die großen Firmen haben längst ihre entsprechenden Abteilungen ins Ausland verlagert. Die vielen Kleinen – Saatzüchter ebenso wie Biotechnologie-Firmen und wissenschaftliche Institute – werden in die Röhre gucken, und die staatlichen Gentechnik-Forscher – renommierte, international anerkannte Leute darunter – werden sich, wenn sie bei ihrem Fachgebiet bleiben wollen, im Ausland umschauen und emigrieren – oder schlicht resignieren. Denn wozu soll der Staat eigentlich noch Forschung in einer Technologie fördern, wenn sie niemand in der Praxis anwenden darf? Auch wenn diese Technologie einmal als eine der „Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts“ bezeichnet wurde? Würden da nicht endlich wunderbar viele Gelder frei für trendige Ökolandbau-Forschung? Vielleicht darf später mal der eine oder andere der früher in Deutschland forschenden Wissenschaftler aus Nordamerika zu einem Vortrag in seine Heimat kommen und erzählen, was draußen so alles passiert. Oder Kollegen aus China oder Indien kommen und berichten von ihren Fortschritten. Die werden sich vielleicht erstaunt die Augen darüber reiben, auf welchem Niveau die Wissenschaft in Deutschland dann angekommen sein wird - auf den Stand eines drittklassigen Entwicklungslandes. Vielleicht werden sie sich aber auch darüber wundern, wie sich die SPD-Bundestagsfraktion im Gefolge der Grünen zu Sargträgern der Grünen Gentechnik in Deutschland hat degradieren lassen. Möglicherweise wird sich dann aber auch der eine oder andere unserer politischen Nachkommen nachdenklich hinter dem Ohr kratzen und fragen: Was ist da eigentlich falsch gelaufen?
Wir alle sind uns doch darüber einig; Diese Partei muss sich einen gewaltigen Stoß geben, um aus der jetzigen kläglichen Lage herauszukommen. Um sich zu erneuern. Bildet euch aber nicht ein, dass ihr ein Verbot des Anbaus gentechnisch optimierter Pflanzen als ein Leuchtturm-Projekt unserer Partei der Öffentlichkeit präsentieren könnt! Unser Vorsitzender Martin Schulz hat am Parteitag am 07.12.2017 erklärt: "Die SPD muss wieder die Partei des Mutes werden. Lasst uns aufhören, nur auf Umfragen zu schauen. Ich möchte, dass wir jetzt mutig nach vorne blicken."Lass mich schließen mit einem Zitat aus der ZEIT (irgendwann vor 10 oder 15 Jahren): Erst wenn der letzte Nuklearingenieur ausrangiert, der letzte Gen- und Rüstungstechniker vertrieben und der letzte Chemiker gefesselt ist, werden sie merken, dass man Ideologie nicht essen kann.
Fast hätte ich es vergessen: Bekomme ich nun noch eine Antwort auf meine Fragen?
Mit freundlichen Grüßen
(gez.) Peter Langelüddeke