1985 wurden in den USA erstmals gentechnisch veränderte Organismen (GVO) (Eis-Minus-Bakterien an zwei Standorten) in die freie Natur ausgebracht und dann auch 1986 erstmals in Frankreich (Tabak). Der wissenschaftliche Fortschritt lässt sich kaum aufhalten und ein Freisetzen von GVO konnte auch in Deutschland erwartet werden. Kritiker der Gentechnik waren/ sind der Auffassung, dass das Freisetzen von GVO aus Sicherheits- und Vorsorgegründen verhindert werden muss. Deshalb gründeten
► 1986
kritische Wissenschaftler*innen,
Journalist*innen, Tierärzt*innen, Mediziner*innen, Politiker*innen und anderen an der Gentechnik interessierten Menschen das GeN-ethische Netzwerk (GeN).
Das GeN verstand (versteht) sich als ein kritisches und abhängiges Gegengewicht zu der interessenorientierten Selbstdarstellung aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik. Ihre Ziele beschrieben sie damals mit „um die notwendige kritische öffentliche Diskussion über Anwendungsbereiche, Ziele und Gefahren der modernen Biotechnologien – der Gentechnologien und Fortpflanzungstechnologien – zu fördern“ sowie „Informationen über Gen- und Reproduktionstechnologien zu sammeln, auszuwerten und zu verbreiten“. Heute gibt das GeN in seiner
► Selbstdarstellung
an:
„Unsere Kritik an Gentechnik in Landwirtschaft und Medizin verbindet sich in den Zielen einer Demokratisierung von Wissenschafts- und Technologiepolitik. Wir setzen uns dafür ein, dass kapitalistische Dynamiken der Ökonomisierung in verschiedenen Feldern der Biopolitik zurückgedrängt werden. Unter anderem engagieren wir uns dafür:
• den Anbau von gentechnisch verändertem Saatgut in Deutschland und global zu verhindern,
• Versuchsfreisetzungen mit gentechnisch veränderten Pflanzen institutionell und lokal zu verhindern,
• neue Formen der Gentechnologie kritisch zu hinterfragen,
• privaten intellektuellen Eigentumsrechten entgegenzuwirken,
• die Normalisierung und Ausweitung von selektiven und diskriminierenden Reproduktionstechnologien wie pränatale Diagnostik zu beenden,
• die Legalisierung von reproduktiven Techniken wie Eizell“spende“ und „Leihmutterschaft“ zu verhindern,
• den Datenschutz biologischer und genetischer Daten durchzusetzen.“
.
Damals wie heute sieht das GeN eine ihrer Hauptaufgaben das Verhindern von Freisetzungen gentechnisch veränderter Organismen. Es macht keine Unterscheidung zwischen Freisetzungen für kommerzielle und wissenschaftliche Zwecke.
Zur gleichen Zeit wurde von interessierten Gruppen, Umwelt-, Naturschutzverbänden und den GRÜNEN ein fünfjähriges Moratorium für gentechnische Arbeiten gefordert. Während dieser Zeit sollten Sicherheits- und Rechtsfragen beraten und abgeklärt werden.
Bis zum Inkrafttreten (01.07.1990) des Gesetzes zur Regelung der Gentechnik (GenTG) war das Freisetzen GVO in Deutschland nicht abschließend rechtlich geregelt. Die Beantragung eines Freisetzungsversuches erfolgte nach den Gen-Richtlinien (Richtlinien zum Schutz vor Gefahren durch in-vitro neukombinierte Nucleinsäuren) in der Fassung von Mai 1986. In dieser Fassung ist das zuvor bestehende grundsätzliche Verbot von Freisetzungen in ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt abgeändert worden. Die Rechtslage war dennoch interpretationsbedürftig. 1989 hatte der Hessische Verwaltungsgerichtshof auf die Problematik der rechtlichen Einordnung der Gen-Richtlinien hingewiesen. Er war der Auffassung, dass Arbeiten mit GVO, Betreiben von gentechnischen Anlagen und Freisetzen von GVO einer staatlichen Rechtsgrundlage bedürfe.