In Vorfeld der Veranstaltung gab es an der Universität Stuttgart-Hohenheim eine interne Pressemeldung (04.02.2013) heraus, zu der nur Mitglieder einschließlich der Studenten der Hochschule Zugang haben.
Séralini-Genmais-Studie: Umstrittener Forscher stellt sich Diskussion im Euroforum [04.02.13]
Wenn Lobbygruppen um öffentliche Meinung kämpfen, sind Wissenschaftler als neutrale Experten besonders gefragt. Doch können sie dieser Rolle gerecht werden? Anhand einer besonders umstrittenen Genmais-Studie des französischen Forschers Gilles-Eric Séralini will die studentische Gruppe FRESH darüber diskutieren. Auf dem Podium sitzt u.a. der kritisierte Forscher selbst.
Die Medien griffen es im September bereitwillig als Schock-Meldung auf: Ratten, die mit Genmais der Sorte NK 603 gefüttert wurden, sollen häufiger an Krebs erkranken als Artgenossen in einer Kontrollgruppe. Das will der französische Forscher Séralini in einer Langzeitstudie nachgewiesen haben. Ebenfalls im Visier: das Monsanto-Herbizid „Roundup“, gegen das der Mais durch die Genveränderung widerstandsfähig gemacht wurde. Scharfe Kritik etlicher Fachkollegen an dieser Schlussfolgerung folgte prompt. Doch bis sich diese Gehör verschaffen konnten, war die alarmierende Botschaft inklusive Fotos mit Tumor-übersäten Ratten bereits über sämtliche Newsticker gelaufen. Die Bilder hatte der Wissenschaftler auf der Pressekonferenz im September ebenfalls mit veröffentlicht.
Inzwischen hat auch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) ihr Urteil gefällt – und weist die Ergebnisse "aufgrund schwerwiegender Mängel im Hinblick auf Design und Methodik" zurück.
Bei der Veranstaltung in Hohenheim sitzt der umstrittene Forscher nächste Woche in Hohenheim auf einem Diskussionspodium; dies schmeckt deshalb nicht jedem.
Organisatoren in Hohenheim sind mehrere studentische Gruppen, unter anderem FRESH. Die Veranstalter der Tagung "Sicherheitsforschung im Agrarbereich" sind Gentechnikfreies Europa e.V. (V.i.S.d.P.), ENSSER, Aktionsbündnis gentechnikfreies Baden-Württemberg, die Albert Schweizer Stiftung und Brot für die Welt.
Prof. Dr. Klaus-Dieter Jany, ehemals Leiter des Molekularbiologischen Zentrum an Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel Karlsruhe, der auch schon in Hohenheim Vorlesungen hielt, bekennt unumwunden: „Als ich gesehen habe, dass vor allem Lobbygruppen zu den Veranstaltern gehören und ihr Ansinnen, die Verunglimpfung der EFSA so offensichtlich war, wollte ich an der Veranstaltung eigentlich nicht teilnehmen. Doch es waren Studenten, die mich gebeten haben, auf der Tagung einen kritischen Beitrag zu leisten. Aus diesem Grund werde ich dort sein.“ Seinen Redebeitrag will Jany nutzen, um das zu tun, was er auch schon wiederholt im Hörsaal getan hat: die Mängel der Séralini-Studie an konkreten Passagen aufzeigen. Insbesondere sehe Jany, eklatante Mängel im Versuchsdesign und den Schlussfolgerungen aus den publizierten Daten.
FRESH: "Wir wollen auch über die Rolle der Wissenschaft diskutieren" Felix Hegwein, stellvertretender Vorsitzender der studentischen Gruppe FRESH, geht es um eine kritische Auseinandersetzung mit der Rolle der Wissenschaft in der Öffentlichkeit und deren Einfluss auf die Politik.
„Die in den vergangenen Monaten sehr kritisch diskutierte Séralini-Studie bietet einen interessanten Einstieg an, wie wissenschaftliche Konflikte ablaufen, welchen zentralen Stellenwert die Methodik bei solchen Studien darstellt und inwiefern die Wissenschaft hier mit der Industrie und Politik kooperieren kann. Die Wahrnehmung dieses Spannungsfelds ist für uns Studierende bedeutend und wir sind deshalb sehr daran interessiert, welche Rolle die Universität, als deren Teil wir uns sehen, hierbei einnimmt. Es freut mich sehr, dass sich Prof. Dr. Séralini der Diskussion hier an der Uni stellen wird und bin sehr gespannt auf seinen Beitrag“, so Felix Hegwein.
Außer Séralini und Jany sitzen Dr. Christoph Then (Testbiotech) und Dr. Angelika Hilbeck (Präsidentin von ENSSER) auf dem Podium – zwei Referenten, die sich unter anderem kritisch mit der Rolle der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) auseinandersetzen.
„Wir hatten eigentlich auf ein noch breiteres Spektrum an Referenten gehofft“, bedauert Felix Hegwein. „Insbesondere natürlich Vertreter von EFSA oder der Arbeitsgemeinschaft Glyphosat. Leider haben diese kurzfristig abgesagt.“
Rektor unterstützt studentische Initiative Für Prof. Dr. Günter Neumann vom Lehrstuhl Ernährungsphysiologie der Kulturpflanzen war die Absage von EFSA ein Grund ebenfalls als Referent zurückzutreten. „Als ich das endgültige Programm gesehen habe, war ich etwas enttäuscht“, so Neumann. „Immerhin war ja eine Diskussion der Zulassungs- und Bewertungspraxis der EFSA und der Sicherheitsforschung im Agrarbereich vorgesehen. Ich befürchte jedoch, dass nach Absage der EFSA eine ausgewogene Diskussion mit nachvollziehbarem Austausch der Argumente aller Seiten nicht möglich sein wird.“ Unirektor Stephan Dabbert will sein versprochenes Grußwort trotz Abraten einiger Kollegen halten. „Es ist schade, dass die EFSA nun doch nicht vertreten ist. Die Studierenden haben mir ihr Anliegen jedoch dargelegt, das ich nach wie vor für unterstützenswert halte. Wo, wenn nicht an einer Universität, soll eine Diskussion darüber stattfinden, wie eine solche Studie aussehen müsste, damit sowohl Gentechnik-Befürworter als auch Gegner sie akzeptieren?“, so Dabbert.
Am 05.02.2013 wendet sich dann die Universität Stuttgart-Hohenheim in einer Pressemeldung an die Öffentlichkeit. (5)
https://www.uni-hohenheim.de/news/umstrittener-wissenschaftler-seralini-kritisierter-forscher-stellt-sich-diskussion-an-universitaet-hohenheim-2
05.02.2013 - 20:10 Landwirtschaft
Umstrittener Wissenschaftler Seralini: Kritisierter Forscher stellt sich Diskussion an Universität Hohenheim
6. Februar 2013 von 9:00 . 15:00 Uhr: Studentische Initiativen laden zur Diskussion über umstrittene Studie von Prof. Dr. Seralini und deren wissenschaftliche Tragfähigkeit
Mit einer Studie über gesundheitliche Auswirkungen von gentechnisch verändertem Mais bei Ratten sorgte Prof. Dr. Gilles- Eric Seralini im Sommer 2012 europaweit für anhaltendes Medienecho. Umso mehr, als die Studie von anderen Forschern und Behörden als wissenschaftlich unseriös kritisiert wurde. In einer Tagung über wissenschaftliche Ansprüche an die Sicherheitsforschung im Agrarbereich wird sich Prof. Dr. Seralini nun selbst zum Thema äußern – und sich Kritik und Diskussion stellen. Vollständige Ankündigung und Programm der studentischen Mit- Veranstalter unter www.uni- hohenheim.de/ presse
Ratten, die mit gentechnisch veränderten Mais gefüttert wurden, waren auffällig häufig an Krebs erkrankt und hatten eine verkürzte Lebenserwartung gezeigt – so lautet verkürzt die Aussage einer Studie von Prof. Dr. Seralini, wie sie vergangenen September über die Medien verbreitet wurde.
Doch die Studie selbst sei wissenschaftlich nicht haltbar, urteilten Forscher und Behörden in den Folgewochen. Die Zahl der Versuchstiere sei zu klein, die statistische Auswertung mangelhaft, die Schlussfolgerungen nicht zulässig. Zu den Kritikern gehörte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR).
Methodendiskussion im Euroforum der Universität Hohenheim
Kritiker forderten Seralini auf, die kompletten Daten des Experimentes sofort offenzulegen. Seralini will die Daten erst schrittweise im Zuge weiterer wissenschaftlicher Veröffentlichungen zur Verfügung stellen. Nun tritt er in einer Tagung an der Universität Hohenheim auf. Der Titel lautet „Sicherheitsforschung im Agrarbereich – am Beispiel der Glyphosatstudie von Prof. Seralini".
Organisiert wird die Tagung von einem breiten Zusammenschluss studentischer Gruppen und externer Veranstalter. Zu den studentischen Mit-Veranstaltern zählen etwa die „Food Revitalisation and Eco- Gastronomical Society Hohenheim" und der Arbeitskreis Ökolandbau. Zu den außeruniversitären Veranstaltern zählt vor allem der Verein Gentechnikfreies Europa e.V. (Liste aller Mitwirkenden: siehe Textende.) Inhaltlich erhoffen sich die Organisatoren eine Diskussion auf der Meta- Ebene. „Uns geht es zum Beispiel um den Einfluss der Wissenschaft auf öffentliche Diskussionen und die Verantwortung, die sich daraus für Wissenschaftler ergibt", meint etwa Felix Hegwein, stellvertretender Vorsitzender der studentischen Gruppe FRESH.
Die Tagung selbst besteht aus drei Blocken: Der Beginn gehört Prof. Dr. Seralini, der seine Studie präsentiert. Eine kritische Auseinandersetzung mit Seralinis Methodik und seinen Schlussfolgerungen übernimmt Prof. Dr. Klaus- Dieter Jany, ehemals Leiter des Molekularbiologischen Zentrums an der Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel in Karlsruhe, der auch schon in Hohenheim dozierte.
Um die Mittagszeit referieren zwei Vertreter von Organisationen, die sich ihrerseits kritisch mit Gentechnik und Biotechnologie auseinandersetzen. Ihr Thema ist die Zulassungspraxis der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und die Studien, die dort für die Zulassung genveränderter Pflanzen gefordert werden.
Ebenfalls angefragt waren Vertreter der EFSA, der Arbeitsgemeinschaft Glyphosphat und des Landes Baden-Württemberg.
Ausklang ist eine Round Table Diskussion mit den Referenten mit SWR- Journalist Manfred Ladwig als Moderator.
Universität erlebt heftige Kritik bereits im Vorfeld
Auch an der Universität Hohenheim hat die Tagung schon im Vorfeld erhebliche Diskussionen ausgelöst.
„Die Universität und unsere Studierenden wurden kritisiert, dass sie einem Forscher eine Plattform bieten, dessen Studie von anderen Wissenschaftlern als methodisch unzureichend angesehen wird", erklärt Rektor Prof. Dr. Stephan Dabbert, der die Veranstaltung mit einem Grußwort einleiten wird.
Auch wegen der externen Organisationen, die mit der Idee zu der Veranstaltung an die Studierenden herangetreten waren, erreicht die Universität der Vorwurf, die Veranstaltung werde einseitig sein.
„In meinem Grußwort werde ich deshalb herausstreichen, dass ich die Universität als ureigensten Ort der Redefreiheit und der Diskussion ansehe. Es ist die Aufgabe der Universität die kritische wissenschaftliche Diskussion zu ermöglichen und zu pflegen. Beim Thema Grüne Gentechnik scheint eine rein wissenschaftliche Diskussion besonders schwierig zu führen, da verschiedene Ebenen der Debatte miteinander vermischt werden. Neben der wissenschaftlichen Ebene gibt es eine Debatte auf der Regulierungsebene, der wirtschaftlichen Ebene und der politischen Ebene. Mein Wunsch wäre, dass die wissenschaftliche Auseinandersetzung an diesem Tag im Zentrum steht und zu einem Konsens fuhrt, wie etwa eine Studie aussähe, die von Gegnern und Befürwortern der Gentechnik als wissenschaftlich haltbar angesehen wird."