Eine Publikation der besonderen Art, die mit großer Sorgfalt und Vorsicht gelesen werden sollte.
Shen, C., Yin, X.C., Jiao, B.Y. et al. (2022): Evaluation of adverse effects/events of genetically modified food consumption: a systematic review of animal and human studies. Environ Sci Eur 34, 8 (2022). https://doi.org/10.1186/s12302-021-00578-9
Objective: A systematic review of animal and human studies was conducted on genetically modified (GM) food consumption to assess its safety in terms of adverse effects/events to inform public concerns and future research.
Methods: Seven electronic databases were searched from January 1st 1983 till July 11th 2020 for in vivo, animal and human studies on the incidence of adverse effects/events of GM products consumption. Two authors independently identified eligible studies, assessed the study quality, and extracted data on the name of the periodical, author and affiliation, literature type, the theme of the study, publication year, funding, sample size, target population characteristics, type of the intervention/exposure, outcomes and outcome measures, and details of adverse effects/events. We used the Chi‑square test to compare the adverse event reporting rates in articles funded by industry funding, government funding or unfunded articles.
Results: One crossover trial in humans and 203 animal studies from 179 articles met the inclusion criteria. The study quality was all assessed as being unclear or having a high risk of bias. Minor illnesses were reported in the human trial. Among the 204 studies, 59.46% of adverse events (22 of 37) were serious adverse events from 16 animal studies (7.84%). No significant differences were found in the adverse event reporting rates either between industry and government funding (χ2 = 2.286, P = 0.131), industry and non‑industry funding (χ2 = 1.761, P = 0.185) or funded and non‑funded articles (χ2 = 0.491, P = 0.483). We finally identified 21 GM food‑related adverse events involving 7 GM events (NK603 × MON810 maize, GTS 40‑3‑2 soybean, NK603 maize, MON863 maize, MON810 maize, MON863 × MON810 × NK603 maize and GM Shanyou 63 rice), which had all been on regulatory approval in some countries/regions.
Conclusion: Serious adverse events of GM consumption include mortality, tumour or cancer, significant low fertility, decreased learning and reaction abilities, and some organ abnormalities. Further clinical trials and long‑term cohort studies in human populations, especially on GM food‑related adverse events and the corresponding GM events, are still warranted. It suggests the necessity of labelling GM food so that consumers can make their own choice.
https://enveurope.springeropen.com/articles/10.1186/s12302-021-00578-9
Entsprechend dem Titel und dem Abstract kann vermutet werden, dass diese Publikation* ein Review zu Studien über die Sicherheit von GVO und daraus hergestellter Erzeugnisse gibt, bei denen negative Effekte auf die Gesundheit der Tiere festgestellt wurden (Ref**. 17 – 197). Aus der Vielzahl wurden letztlich 204 Studien ausgewählt, 203 an Tieren und eine an Menschen. Die Darstellung ist hier jedoch irreführend. Diese 204 Studien stellen die Gesamtheit der untersuchten Publikationen dar, in denen Fütterungsstudien beschrieben worden sind oder bewertet wurden. In vielen den aufgeführten Referenzen finden die Autoren* überhaupt keine Unterschiede zu dem konventionellen Vergleichsprodukt oder irgendwelche negativen toxikologischen Effekte. Hier einige zufällig ausgewählte Literaturstellen (Ref.):
Ref. 24: ► Buzoianu et al 2012 „ Long-term feeding of GM maize to pigs did not adversely affect growth or the
selected health indicators investigated”,
Ref. 35: ►EFSA (2018) “In conclusion, soybean MON 87751, as described in this application, is as safe as its
conventional counterpart and the tested non-GM soybean reference varieties with respect to potential effects on human and animal health and the environment.”
Ref. 50: ►Lin T.H. et al (2016):“Results of immunotoxicity assays revealed no consistent difference between
rats fed for 90 days with GM 823-2210 papaya fruits, as opposed to those fed non-GM TN-2 papaya fruits, suggesting that with regard to immunomodulatory responses, GM 823-2210 papaya fruits maintain substantial equivalence to fruits of their non-GM TN-2 parent.”
Ref. ►64. Papineni S et al. (2017): “Under the conditions of this study, the genetically modified DAS-444Ø6-6
diets did not cause any treatment-related effects in rats following 90 days of dietary administration as compared with rats fed diets with soybean of isoline control or commercial reference controls and are considered equivalent to the diets prepared from conventional comparators.”
Ref. 125. ►Huang Q et al. (2009) ist völlig ohne Bezug zur Gentechnik.
Ref. 151 ► Song L.S. et al. (2017): Dieser Beitrag konnte nicht überprüft werden, wahrscheinlich sind die
Angaben nicht korrekt. Der Artikel befindet sich nicht im Literaturverzeichnis von Song L.S.
Ref. 185 ►Zhi et al. (2011): “Conclusion: There were no signs of toxic and adverse effects for transgenic
human alpha-lactalbumin powdered milk on rats.”
Geradezu von wissenschaftlicher Unkenntnis und der Arbeitsweise zeugt die Behauptung, dass die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) in 12 Sicherheitsbewertungen für Lebensmittelenzyme (Ref. 76 – 87), die mit Hilfe von gv-Mikroorganismen gewonnen wurden, negative Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen festgestellt habe. Aber noch unwissenschaftlicher ist, dass in der Publikation nicht erwähnt wird, was die negativen Effekte sein sollen. Es bleibt dem Leser überlassen, dies herauszufinden. Möglicherweise sind hier allergische Reaktionen gemeint, denn nur diese sind in allen diesen gemeinsam aufgeführt. Aber allergische Reaktionen können bei keinem Lebensmittelenzym vollkommen ausgeschlossen werden, gleichgültig ob es aus einem konventionellen oder gv-Organismus stammt.
Die Autoren lassen den Leser im Unklaren, in welchen der 204 aufgeführten Literaturangaben tatsächlich negative Auswirkungen durch die Aufnahme von Lebens- und/oder Futtermitteln aus GVO beobachtet wurden. Vermutlich sind es nur die in den Tabellen 3 bis 5 erwähnten 16 Studien (Ref. 26, 31, 32, 35, 37, 42, 68, 69, 74, 88, 97, 103, 156, 174, 193, 196). Geradezu erschreckend ist wie die Autoren kritiklos und ohne das jegliche Beachtung der weiteren Literatur zu dem entsprechend GVO die Daten aus den oben aufgeführten Referenzen übernehmen.
► Ref. 32 (Ref. 32 wird unter 32 a, 32b, 32 c bemüht; es ist aber immer die gleiche Studie). Die Referenz
müsste richtiger heißen: Velimirov A., Binter C., Zentek J. (2008): Biological effects of transgenic maize NK603xMON810 fed in long term reproduction studies in mice. Forschungsberichte der Sektion IV (Band 3/2008) des Bundesministeriums für Gesundheit, Familie und Jugend). Es handelt sich hier um einen nicht reviewten Bericht, ein vom österreichischen Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend finanzierte Forschungsauftrag. Dieser Bericht wurde allerdings vom Auftraggeber wegen gravierender methodischer Fehler in der Versuchsführung zurückgezogen. Verwunderlich, dass die Autoren die Unstimmigkeiten bei der Auswertung des Berichtes nicht bemerkten.
(Weitere Informationen: ► Zentek: gv-Mais Fütterungsstudie mit Mäusen über mehrere Generationen
"Gen-Mais macht impotent")
►Ref. 74 die Seralini-Studie. Man ist verwundert, wie unreflektiert hier die Daten (Tab. 3, 5 ) aus der zunächst
zurückgezogen Studie (Ref. 14)und dann bei einem anderen Journal neu eingereichten (Ref.74) übernommen werden. In der gesamten Publikation wird an keiner Stelle die überwältigende Kritik an der Seralini-Studie erwähnt (dies ist bei der Intension dieser Publikation wahrscheinlich auch als nicht notwendig erachtet.) Allerdings zeugt es wiederum von wissenschaftlicher Unkenntnis im Bereich der Sicherheitsforschung, dass die Studien aus dem GRACE-, GwYST- und GMO 90*- Projekten nicht erwähnt werden, denn diese Studien wurden als Folge der Seralini-Studie durchgeführt. Die Ergebnisse aus diesen Studien widerlegen die Ergebnisse von Seralini bzw. konnten sie nicht reproduzieren. Diese Studien sind alle im Untersuchungszeitrahmen (1.Januar 1983 bis 11. Juli 2020) dieser Publikation erschienen. Aus dem GRACE-Projekt stammen zwar Ref.104, 105) aber sie werden in keinerlei Bezug zu der Seralini-Studie gebracht.
Ref. 69 Tudisco (2015): Diese Studie muss eigentlich einer ganzen Serie von Untersuchungen zugerechnet
werden, zu der auch die Ref. 57, 58, 59 gerechnet werden kann. Die weiteren Studien aus der Arbeitsgruppe um Tudisco und Infracelli werden in dieser Publikation seltsamerweise nicht erwähnt. Die in Tab. 4 gemachten Angaben sind korrekt, aber nur unvollständig. Die Schlachtgewichte bei den mit Kolostral- bzw. Milch ernährten Lämmern von gv-Sojamehl gefütterten Muttertieren sind niedriger als die aus der Kontrollgruppe. Eine Dosisabhängigkeit der Schlachtgewichte ist nicht feststellbar. In den Körpermaßen unterscheiden sich die Lämmer in Bezug auf Widerristhöhe und Brustumfang geringfügig, während bei den Gewichten der Organe keine Unterschiede auftreten.
Aufgrund erheblicher methodischer Mängel ist die Studie nicht geeignet, substanzielle Aussagen zur Entwicklung von Bocklämmern zu machen, die mit Kolostralmilch (Bistmilch) / Milch ernährt wurden, die von mit gv-Soja ernährten Muttertieren stammt.
(Mehr Informationen: ► Infascelli - Tudisco Fütterungsstudien mit gv-Sojabohnen an Lämmern, Ziegen und Kaninchen
Verwundert reibt man sich die Augen, wenn in Tab. 3 unter „Mortalität“ aufgeführt wird, dass kein Bezug auf die Testsubstanz festgestellt werden kann (Ref. 35, 68, 156, 193) oder dass der vorzeitige Tod auf die Schlundfütterung- oder Haltungsbedingungen zurückzuführen sei, oder wie in Ref. 196 die Todesrate ähnlich der Kontrollgruppe ist. In der Publikation wird leider nicht ausgeführt, warum die Autoren diese Fütterungsstudien dennoch als Studien als Nachweis von schwerwiegenden negativen Auswirkungen (erhöhte Todesrate) von gv-Futtermitteln aufgeführt werden. Gerade um die Studien (Ref.156 und 193) wurden zahlreiche weitere Untersuchungen durchgeführt und in allen konnten keine negativen Effekte oder gravierende Unterschiede zu dem konventionellen Counterpart festgestellt werden.
Positiv an dieser Publikation ist anzumerken, dass sie einen guten Überblick zu Fütterungsstudien mit GVO und/oder aus ihnen gewonnenen Produkten gibt und insbesondere zu Studien, die in China durchgeführt wurden.
Die Publikation, dieser Review, ist jedoch nicht geeignet wissenschaftlich belegte negative toxische Effekte durch die Aufnahme solcher Erzeugnisse nachzuweisen.
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* Publikation (Autoren): Bezieht sich hier stets auf die Publikation von Shen et al. (2022)
**Ref.: Bezieht sich auf die Referenzen in der Publikation von Shen et al. (2022)
Klaus-Dieter Jany 06.03.2022