Mais MON 810 Italien Anbauverbot rechtswidrig

Europäischer Gerichtshof (EuGH): Das Anbauverbot in Italien für gv-Mais MON 810  war rechtswidrig

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat eine Lanze für den Anbau von gentechnisch veränderte Pflanzen gebrochen und das hohe  Sicherheitsniveau von zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen (GVO) und daraus hergestellter Erzeugnisse betont.

Der Fall: Italien verfügt 2013 ein Anbauverbot für gv-Mais MON 810

2013 verlangte Italien die Verhängung eines umfassenden Anbauverbots für die gentechnisch veränderte (gv-)Maissorte MON 810 auf ihrem Territorium durch die EU-Kommission. Das geplante Anbauverbot wurde mit Untersuchungen durch den Rat für Agrarforschung und landwirtschaftliche Versuche (CRA, Italien) und dem Höheren Institut für Umweltschutz und Umweltforschung (ISPRA, Italien) begründet. Aus diesen Arbeiten würde sich ableiten lassen, dass mit dem Anbau und der Verwendung von gv-Mais MON 810 erhebliche Gefahren für Mensch, Tier und Umwelt ausgingen. Aus den
von Italien eingereichten Unterlagen konnte die EU-Kommission allerdings keine hinreichenden Hinweise auf ernsthafte Risiken für Mensch, Tier und Umwelt erkennen, die ein Anbauverbot rechtfertigen würden. Zur
Absicherung ihrer Auffassung beauftragte die EU-Kommission die
Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) mit einer wissenschaftlichen Überprüfung der eingereichten Unterlagen.
Die EFSA stellte in ihrer ► Stellungnahme vom 13. September 2013 fest,
dass keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegen würden, das ein sofortiges Anbauverbot von Mais MON 810 notwendig machen würde. Die
vorgebrachten Daten und Argumente seien bereits bei der ursprünglichen Sicherheitsbewertung berücksichtigt wurden und weiterhin ginge von diesem gv-Mais keine besonderen ernsthaften Gefährdungen für Mensch, Tier und Umwelt aus. Trotz der Ablehnung eines Anbauverbotes durch die EU-Kommission, verhängte Italien 2013 eigenmächtig unter Berufung auf das Vorsorgeprinzip VO (EG) Nr. 1829/2003, Art 34 und VO (EG) 178/2002,
 Art. 6, 53, 54) ein generelles Anbauverbot für den gv-Mais MON 810.
Zusammenfassung der EFSA-Stellungnahme

Following a request of the European Commission, the European Food Safety Authority’s Panel on Genetically Modified Organisms (EFSA GMO Panel) evaluated the documentation submitted by Italy in support of its request for the prohibition of the placing on the market of the genetically modified maize MON 810 according to Article 34 of Regulation (EC) No 1829/2003.     All concerns related to human and animal health or the environment raised by Italy were already addressed in previous scientific opinions of the EFSA GMO Panel on maize MON 810 while other concerns relate to co-existence and thus fall outside the remit of EFSA. Therefore, the EFSA GMO Panel concludes that, based on the documentation submitted by Italy, there is no specific scientific evidence, in terms of risk to human and animal health or the environment, that would support the notification of an emergency measure under Article 34 of Regulation (EC) No 1829/2003 and that would invalidate its previous risk assessments of maize MON 810.

Maisanbauer halten das Verbot für rechtswidrig und bauen weiterhin Mais MON810 an

Drei Landwirte in Norditalien erachteten das Anbauverbot für rechtlich nicht zulässig und bauten weiterhin gv-Mais MON 810 an. Nicht unerwartet wurde ihnen dies untersagt. Sie wurden unter Hinweis auf das Anbauverbot mit einem Strafbefehl des Landgerichts Udine belegt. Die drei Landwirte erhoben gegen diese Strafbefehle Einspruch und begründeten diesen mit der Rechtswidrigkeit des nationalen Anbauverbots. Daraufhin beschloss das Landgericht Udine die Frage der Zulässigkeit des eigenmächtig verhängten nationalen Anbauverbots auf Grundlage des Vorsorgeprinzips (siehe oben) klären zulassen.

Konkret geht es um die Fragen:

  1. Ist die EU-Kommission auch dann verpflichtet, Sofortmaßnahmen zu ergreifen, wenn ein Mitgliedsstaat solche erlassen möchte, aber die EU-Kommission aus den von einem Mitgliedsstaat vorgelegten Unterlagen keine ernsten und offensichtlichen Risiken ableiten kann?
  2. Darf ein Mitgliedsstaat eigenmächtig vorläufige Sofortmaßnahmen ergreifen, auch wenn sich die EU-Kommission gegen solche ausspricht?
  3. Können Erwägungen mit Blick auf das Vorsorgeprinzip, das Ergreifen von Sofortmaßnahmen auch dann rechtfertigten, wenn die Erwägungen nicht im Zusammenhang mit ernsten und offensichtlichen Risiken stehen? (Anwendung der Schutzklausel nach Art.34, VO Nr.1829/2003)
  4. Kann ein Mitgliedsstaat die Sofortmaßnahmen aufrechterhalten oder verlängern, auch dann wenn die EU-Kommission der Auffassung ist, dass die Voraussetzungen für das Ergreifen von Sofortmaßnahmen nicht vorliegen und wenn ein wissenschaftliches Gutachten die Auffassung der EU-Kommission unterstützt?

Das EuGH-Urteil: Italien durfte den Anbau von Mais MON 810 nicht verbieten

Nach  Rechtslage war das Anbauverbot von Mais MON 810 nicht zulässig.

Rechtssache  C‑111/16: http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf;jsessionid=9ea7d2dc30d667fee369f27e42aaba24a1d9d910fdef.e34KaxiLc3qMb40Rch0SaxyMbhz0?text=&docid=194406&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1&cid=1074866

Die EU-Kommission braucht keine Sofortmaßnahmen ergreifen, auch wenn sie von einem Mitgliedsstaat über eine beabsichtigte Maßnahme unterrichtet wurde „sofern nicht davon auszugehen ist, dass ein nach Verordnung Nr. 1829/2003 zugelassenes oder mit ihr im Einklang stehendes Erzeugnis wahrscheinlich ein ernstes Risiko für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder die Umwelt darstellt.“

Ein Mitgliedsstaat kann nach Unterrichtung der EU-Kommission Sofortmaßnahmen ergreifen, „sofern die EU-Kommission nicht gemäß Art. 53 der Verordnung Nr.178/2002 gehandelt hat.“

Ein Mitgliedsstaat ist nicht befugt, vorläufige Sofortmaßnahmen zu ergreifen „allein auf der Grundlage des (Vorsorge-)Prinzips, ohne dass die in Art. 34 der Verordnung Nr. 1829/2003 vorgesehenen materiellen Voraussetzungen erfüllt wären.“

Der EuGH stellt klar, wie auch in seiner im September 2011 getroffenen Monsanto-Entscheidung (Az. C 58/10 – C 68/10), dass Sofortmaßnahmen gegen einen zugelassenen GVO bzw. daraus hergestellten Lebens- oder Futtermittel nur auf Grundlage

●  neuer und zuverlässiger wissenschaftlicher Daten und
●  einer umfassenden Risikobewertung, aus der hervorgeht, dass die
●  Gefährdung mit einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit eintritt und damit
●  ernsthafte Risiken für die zu schützenden Güter verbunden sind,

ergriffen werden dürfen. Rein hypothetische mögliche Risiken können somit nicht für das Ergreifen von Sofortmaßnahmen herangezogen werden. Die Hürden liegen für zugelassenen GVO und daraus hergestellte Erzeugnisse hoch. Italien konnte keine neuen zuverlässigen wissenschaftliche Erkenntnisse liefern, dass durch den Anbau von Mais MON 810 ernsthafte und offensichtliche Risiken für Mensch, Tier und Umwelt verbunden sind. Somit war das Anbauverbot unzulässig.

Zugelassene GVO und daraus hergestellte Lebens- und Futtermittel haben eine umfangreiche wissenschaftliche Risikobewertung durchlaufen und bieten einen hohen vorbeugenden Verbraucherschutz. Allein auf Grundlage des Vorsorgeprinzips nach VO 178/2002 und ohne Berücksichtigung der Voraussetzungen nach Art. 34 der VO 1829/2003 dürfen keine Sofortmaßnahmen gegen GVO oder gv-Erzeugnisse getroffen werden.

Italien hat zwar die EU-Kommission von dem beabsichtigten Anbauverbot von Mais MON 810 entsprechend dem Vorsorgeprinzip nach VO (EG) Nr. 1829/2003, Art 34 und VO (EG) 178/2002, Art. 6, 53, 54 unterrichtet. Aber die EU-Kommission hat zeitgemäß auf das Ersuchen mit einer Ablehnung reagiert und zusätzlich ein wissenschaftliches Gutachten durch die EFSA eingeholt, um die vorgebrachten Gründe für das Anbauverbot zu überprüfen. Aus diesen Gründen durfte Italien nicht einseitig das Anbauverbot verhängen. Italien hätte aber handeln können, wenn die EU-Kommission nicht reagiert hätte.

Dieses EuGH-Urteil betrifft im Prinzip nur Italien und Italien muss das verhängte Anbauverbot aufheben und das Landgericht Udine über die Strafbefehle gegen die drei Landwirte entscheiden. Mit der Aufhebung des Anbauverbotes, darf aber dennoch in Italien kein gv-Mais MON 810 angebaut werden, denn Italien gehört zu den 19 EU-Mitgliedsstaaten, die gemäß des Durchführungsbeschluss (EU) 2016/321 den Anbau von Mais MON 810 auf ihrem Staatsgebiet untersagen. Allerdings könnte mit Blick auf das EuGH-Urteil dieser Durchführungsbeschluss schnell Makulatur werden.

Die opt-out Richtlinie (EU) Nr. 2015/412 wird von dem EuGH-Urteil nur indirekt betroffen, da hier nationale Anbauverbote nicht mehr auf Grund von Sicherheitsbedenken ausgesprochen werden. Dennoch wird die Rechtssicherheit von Anbauverboten nach der opt-out Regelung mit dem EuGH-Urteil fraglich.

Auch wenn sich das EuGH-Urteil grundsätzlich nur auf das Anbauverbot in Italien bezieht, sind die Ausführungen zur Unbotmäßigkeit des Anbauverbotes weitreichend. Aus Sicherheitsgründen wird sich in Zukunft eine Sofortmaßnahme für zugelassene GVO und daraus hergestellter Erzeugnisse nur noch in berechtigten Ausnahmefällen begründen lassen. Eine Zulassung von gv-Pflanzen für Anbauzwecke werden die Mitgliedsstaaten daher versuchen zu verhindern, um die opt-out Regelung nicht in Anspruch nehmen zu müssen.

bgf-Jany 23.09.2017

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