AFVB-WGG-Entscheidungsbaum 2023

Zuordnung von transgenen, cisgenen und genomeditierten Pflanzen anhand eines Entscheidungsbaums und ausgeschlossener AFBV-WGG-Kategorien

Im September 2022 veröffentlichte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) ein aktualisiertes wissenschaftliches Gutachten zu Pflanzen, die durch Cisgenese und Intragenese entwickelt wurden, mit dem Titel: "Updated scientific opinion on plants developed through cisgenesis and intragenesis" (doi: 10.2903/j.efsa.2022.7621). Es ergänzte das wissenschaftliche Gutachten vom Oktober 2020 mit dem Titel: "Anwendbarkeit des EFSA-Gutachtens zu ortsgerichteten Nukleasen des Typs 3 für die Sicherheitsbewertung von Pflanzen, die mit ortsgerichteten Nukleasen des Typs 1 und 2 und durch Oligonukleotid-gerichtete Mutagenese entwickelt wurden" (doi: 10.2903/j.efsa.2020.6299). Im Frühjahr 2022 war die EFSA von der EU-Kommission außerdem um eine Darstellung von Kriterien gebeten worden, die für eine Risikobewertung von Pflanzen, die durch gezielte Mutagenese, Cisgenese und Intragenese entstehen, erforderlich wären. Mitte Oktober 2022 gab die EFSA daraufhin eine Erklärung ab, in der sie mehrere Kriterien für die Risikobewertung solcher Pflanzen beschrieb, einschließlich eines Entscheidungsbaums: "Criteria for risk assessment of plants produced by targeted mutagenesis, cisgenesis and intragenesis" (doi: 10.2903/j.efsa.2022.7618)


AFBV und WGG teilen nicht die offensichtliche Empfehlung der EFSA, dass eine obligatorische Risikobewertung für alle durch gezielte Mutagenese, Cisgenese und Intragenese erzeugten Pflanzen erforderlich ist. Sollte diese Empfehlung vom Gesetzgeber angenommen werden, würde sie ein großes Hindernis für die Entwicklung/Züchtung von Pflanzen in Europäischen Union darstellen, die durch gezielte Mutagenese und Cisgenese gewonnen wurden.


Verschiedene Analysen und Bewertungen dieser Techniken durch den französischen Hohen Rat für Biotechnologie (HCB), die EFSA und den Mechanismus für wissenschaftliche Beratung in Europa kamen zu dem Schluss, dass sich die mit Hilfe dieser Technologien gezüchteten Pflanzen in ihren Auswirkungen auf die Gesundheit oder die Umwelt nicht von denen unterscheiden, die mit herkömmlichen Züchtungsmethoden gewonnen werden. Auch mehrere wissenschaftliche Gutachten der EFSA zu den SDN-1-, SDN-2- und ODM-Technologien sowie zur Cisgenese und Intragenese bestätigten, dass im Vergleich zu herkömmlichen Züchtungsmethoden keine besonderen Risiken bestehen. Dementsprechend haben WGG und AFBV empfohlen*, vier Kategorien von editierten oder cisgenen Pflanzen vom GVO-Rechtsrahmen auszuschließen, indem der in Artikel 3 (1) der Richtlinie 2001/18/EG (Anhang I B) verwendete Ausnahmemechanismus angewendet wird. Darüber hinaus haben wir ein einfaches Überprüfungsverfahren vorgeschlagen, das es einer zuständigen Behörde ermöglicht, den Ausnahmestatus solcher editierten oder cisgenen Pflanzen zu bestätigen.


Um das Verständnis der vom AFBV-WGG vorgeschlagenen Ausschlusskategorien zu erleichtern, haben wir sie in Anhang 1 in Form eines Entscheidungsbaums analog zu dem der EFSA dargestellt. Bei der Erstellung dieses Baums haben wir ähnliche Kriterien wie die von der EFSA vorgeschlagenen und zusätzliche Kriterien verwendet. Mit diesen lassen sich Kategorien der ausgeschlossenen Pflanzen genauer zu bestimmen. Diese neuen Kriterien berücksichtigen weiterhin die konventionellen Züchtungspraktiken, die wir ursprünglich zur Festlegung der vier ausgeschlossenen Kategorien verwendet haben.


Der AFBV-WGG-Entscheidungsbaum führt zu drei Ebenen der Regulierung:


  • Vier Kategorien von cisgenen oder durch gezielte Mutagenese gewonnenen Pflanzen (editierte Pflanzen), die vom Anwendungsbereich der GVO-Gesetzgebung ausgenommen werden sollen (AFBV/WGG-Vorschlag), basierend auf dem gleichen Ausnahmemechanismus wie Anhang IB und erzeugt wie konventionelle Pflanzen;


  • Intragene, cisgene oder editierte Pflanzen, die einer angemessenen, auf die Eigenschaften der veränderten Pflanze zugeschnittenen Bewertung unterzogen werden sollten, wobei entsprechende Leitlinien und ein noch festzulegender Regelungsstatus anzuwenden sind. Wie in unserer Erläuterung und dem Änderungsentwurf vorgeschlagen, sollten regelmäßig Überprüfungen zur Identifizierung neuer Kategorien von ausgeschlossenen Pflanzen durchgeführt werden. Hierbei sollen der wissenschaftliche und technische Fortschritt und die aus den verhältnismäßigen Bewertungen gewonnenen Erfahrungen berücksichtigt werden;


  • Transgene Pflanzen, die den geltenden GVO-Vorschriften unterliegen.

 

Die weiteren Elemente unseres Vorschlags bleiben unverändert (siehe Einzelheiten in der Erläuterung und den Änderungsentwürfen), insbesondere:


  • Die Aufnahme einer Pflanze in eine Kategorie muss nach einem Antrag des Entwicklers durch eine zuständige Behörde bestätigt werden;


  • Die Einrichtung einer Datenbank mit bestätigten cisgenen oder editierten Pflanzen;


  • Ausgeschlossene Pflanzen unterliegen den Saatgut- und Sortenschutzbestimmungen, die für die betreffenden Kulturpflanzenarten gelten, in gleicher Weise wie jede durch traditionelle Züchtungsverfahren gewonnene Sorte;


  • Ein regelmäßiger Überprüfungsprozess auf Grundlage wissenschaftlicher und technischer Fortschritte, der insbesondere zur Festlegung neuer Ausschlusskategorien führen kann;


  • Ausschluss von Null-Segreganten aus dem Geltungsbereich der GVO-Gesetzgebung.

 


* Siehe 2022: https://www.wgg-ev.de/info/korrespondenz-international/vorschlag-afbv-wgg-zur-anpassung-eu-directive-2001-18-juli-2022/



und


https://www.wgg-ev.de/info/korrespondenz-international/vorschlag-wgg-afbv-erl%C3%A4uterungen-update-07-22/


Anhang 1: AFBV-WGG Entscheidungsbaum und verwendete Kriterien


Die hier verwendeten Definitionen sind die gleichen wie die im Entscheidungsbaum der EFSA. Da unser Entscheidungsbaum jedoch auch Pflanzen berücksichtigt, die nicht in der Züchtung verwendet werden, ziehen wir es vor, die Terminologie "Genpool einer Art" anstelle von "Genpool der Züchter" zu verwenden, wie in der Fußnote 1 unten definiert. Die folgenden Kriterien sind zu verwenden:


  • Kriterium C1: Ist eine exogene DNA-Sequenz in der finalen Pflanze vorhanden? Wenn die Antwort “nein“ lautet, handelt es sich um eine editierte Pflanze (siehe Analyse von Kriterium C7). Wenn die Antwort „ja“ ist, gehe zu Kriterium C2.


  • Kriterium C2: Ist die exogene DNA-Sequenz im Genpool der Art (GPA) der finalen Pflanze vorhanden? Wenn die Antwort „nein“ lautet, handelt es sich um eine transgene Pflanze. Wir befassen uns hier nicht mit transgenen Pflanzen, da sie Gegenstand der aktuellen politischen Maßnahmen sind. Wenn die Antwort „ja lautet, wird die Analyse mit den folgenden zwei Kriterien fortgesetzt: C3a und C3b.


  • Kriterium C3a: Wenn die eingefügte DNA-Sequenz umgeordnet wurde (intragene Sequenz), handelt es sich um eine intragene Pflanze. Obwohl wir uns hier nicht mit intragenen Pflanzen befassen, sollten sie einer angemessenen Bewertung unterzogen werden, die auf die Merkmale der veränderten Pflanze zugeschnitten ist.


  • Kriterium C3b: Entspricht die eingefügte DNA-Sequenz einer exakten Kopie (cisgen), so handelt es sich um eine cisgene Pflanze. Die Analyse dieser Pflanzen setzt sich in der Art der Integration des Cisgens fort.


  • Kriterium C4: Die Integration kann zufällig (C4a) oder gezielt (C4b) erfolgen.


  • Kriterium C4a: Erfolgte die Integration zufällig, wird der Ort der Integration des Cisgens analysiert. Hiermit wird festgestellt, ob eine ungewollte Unterbrechung eines Gens vorliegt (C5a) oder nicht (C5b):


o  Im Falle einer ungewollten Unterbrechung eines Gens (C5a) sollte eine verhältnismäßige, auf

    die Eigenschaften der veränderten Pflanze zugeschnittene Bewertung durchgeführt werden;


       o  Liegt keine ungewollte Unterbrechung eines Gens vor (C5b), fällt die resultierende Pflanze in

           Kategorie 4 unseres Vorschlags. Dieses Cisgen ist dann entweder eine zusätzliche Kopie des

   homologen Gens, das im Genom der editierten Pflanze vorhanden ist (C6a), oder ein neues

          Gen, das im GPA der endgültigen Pflanze vorhanden ist (C6b).


  • Kriterium C4b: Wenn die Integration gezielt erfolgt und das Cisgen als Ersatz für das homologe Gen integriert wird (C6c), fällt die Pflanze in Kategorie 1. Trägt das Cisgen entweder eine zusätzliche Kopie des homologen Gens bei, das bereits im Genom der bearbeiteten Pflanze vorhanden ist (C6a), oder ein neues Gen, das im SWP vorhanden ist (C6b), fällt die Pflanze in Kategorie 4.

 

Editierte Pflanzen

 

Kriterium 7: Hier wird der Ursprung des Allels, das als Modell für die Bearbeitung diente, betrachtet. Je nach Vorhandensein (C7a) oder Fehlen (C7b) des Allels im GPA der editierten Pflanze gibt es zwei Fälle. Wenn es im GPA der editierten Pflanze vorhanden ist, fällt die bearbeitete Pflanze in Kategorie 1. Ist es im GPA der bearbeiteten Pflanze nicht vorhanden, werden die unten aufgeführten Kriterien berücksichtigt.


Kriterien C8a und C8b: Ist das editierte Allel in einem anderen GPA vorhanden, der sich von dem GPA in der editierten Pflanze unterscheidet? Wenn die Antwort positiv ausfällt (C8a), sollte geprüft werden, ob dieser andere GPA in einem Zuchtprogramm verwendet wird (C9). Wenn sie von einer anderen GPA stammt, die in einem Züchtungsprogramm verwendet wird (C9a), fällt die editierte Pflanze in Kategorie 2. Wenn nicht (C9b), wird die editierte Pflanze in Kategorie 3 eingestuft.


Kriterium 10: Die editierte Pflanze besitzt ein neues Allel im Vergleich zu der GPA, von der sie ein Teil ist. Könnte das Allel durch spontane oder induzierte Zufallsmutagenese erhalten werden? Wenn die Antwort positiv ausfällt (C10a), wird die Pflanze in Kategorie 3 eingestuft. Wenn die Antwort negativ ist (C10b), sollte für die editierte Pflanze eine angemessene, auf die Merkmale zugeschnittene Bewertung durchgeführt werden.


1 Genpool einer Art: Die Quellen der verfügbaren Gene/Allele werden als "Genpool der Art" bezeichnet. Bei einer bestimmten Art kann man zwischen primären, sekundären und tertiären Genpools unterscheiden. Jeder primäre Genpool umfasst mehrere taxonomische Arten, die sich frei miteinander kreuzen können. Der sekundäre Genpool umfasst Arten, die sich nur schwer mit einem Mitglied des primären Genpools kreuzen lassen, die aber zumindest einige fruchtbare Hybriden hervorbringen. Der tertiäre Genpool umfasst die Arten, die mit einem Mitglied des primären Genpools entfernter verwandt sind, aber nur mit Hilfe fortgeschrittener Techniken wie Embryo-Rettung, induzierter Polyploidie und Brückenkreuzungen gekreuzt werden können. Bei einer Art vergrößert sich der tertiäre Genpool ständig und wird dies auch in Zukunft tun. 

                                                                    Paris - Frankfurt/Main Januar 2023


                                                                                         ► Englische Version



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