Ohne Gentechnik Siegel – Erfolgsmodell oder Auslaufmodell?
Das Siegel als Erfolgsmodell für das Marketing
VLOG-Siegel "Ohne Gentechnik"
Das Siegel „Ohne Gentechnik“ wurde nach der Änderung der Gesetzeslage* für eine erleichterte Auslobung von Lebensmittel, die ohne Verwendung von GVO oder daraus gewonnener Stoffe hergestellt werden, durch das Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung eingeführt. In der Lebensmittelwirtschaft und im Handel hat sich das Siegel als Markenzeichen und Werbeträger etabliert. Das Siegel wird durch den Verband Lebensmittel ohne Gentechnik (VLOG) kostenpflichtig vergeben. Für VLOG ist es ein erfolgreiches Marketingkonzept und ein erfolgreiches Verkaufsmodell. Nach Angaben von VLOG sind gegenwärtig mehr als 9000 Lebensmittel mit dem Siegel „Ohne Gentechnik“ versehen. Für 2018 wird ein Umsatz von 6,9 Milliarden Euro mit Lebensmittel „ohne Gentechnik“ erwartet wird. Dies entspricht ca. 4 % an nicht so gekennzeichneten Erzeugnissen.
"Die 'ohne-Gentechnik'-Kennzeichnung war eines der wichtigen Vorhaben in meiner Zeit als Bundeslandwirtschaftsministerin", sagt die Präsidentin des Bayerischen Landtags, Ilse Aigner, heute. "Deshalb freue ich mich über diese Erfolgsgeschichte, von der so viele Landwirte und Verarbeiter profitieren." Als besonders wichtigen Aspekt der Kennzeichnung hob Frau Aigner die Wahlfreiheit der Verbraucher hervor. "Wer bewusst einkaufen will, braucht verlässliche Informationen. Das gilt auch angesichts neuer gentechnischer Verfahren und der damit hergestellten Produkte."
Das Siegel als Modell für eine erfolgreiche Verbrauchertäuschung oder doch Auslaufmodell
In diesem Statement von Frau Aigner wird nochmals die Bedeutung des Siegels für die Wahlfreiheit der Verbraucher für eine Entscheidung für Lebensmittel, die ohne Gentechnik hergestellt wurden bzw. die keine Zutaten aus GVO enthalten, hervorgehoben. Aber diese gesetzlich erlaubte Möglichkeit der Auslobung von Lebensmitteln mit dem Kennzeichen ohne Gentechnik stand von Anfang an in der Kritik, denn die Lebensmittel müssen nun nicht mehr frei von Gentechnik sein, wie es im ursprünglichen Gesetz* gefordert wurde. Der Begriff der „gesetzlich autorisierten Verbrauchertäuschung“ wurde etabliert.
Das Motto „Ohne Gentechnik–Aber sicher“ ist zu hinterfragen. Wie sicher sind die Erzeugnise ohne Gentechnik? Dies umso mehr nach dem EuGH-Urteil vom 25.07.2018 über die Mutageneseverfahren. Danach sind alle Mutageneseverfahren als Gentechnik einzustufen und führen damit zu gentechnisch veränderten Organismen (GVO). Dies betrifft auch die klassischen Verfahren zur Veränderung der genetischen Information von Organismen, wie ihre Behandlung mit ionisierenden Strahlen oder mutagenen Substanzen. Nahezu alle heute in der Lebensmittelerzeugung verwendeten Pflanzen und Mikroorganismen wurden auf diese Weise mutagenisiert und sind somit „gentechnisch verändert“. Diese EuGH-Entscheidung könnte negative Auswirkungen auf die Bandbreite der Möglichkeiten zur Nutzung des Siegels „ohne Gentechnik“ mit sich bringen und dies
insbesondere in Hinblick auf die Informationsverordnung (EU) Nr. 1169/2011, die mit Art 7. Abs. 1. Verbraucher vor einer Irreführung und Täuschung über die Beschaffenheit eines Lebensmittels schützen will. Dies haben auch Teile der Lebensmittelwirtschaft, insbesondere die großen Einzelhandelsunternehmen, erkannt und wenden sich an die Kommission mit der Bitte des Erhalts der Gentechnikfreiheit, oder besser gesagt ihres Marketingkonzepts, in Blick auf die Einordnung der klassischen und neuen Mutageneseverfahren. Sie weisen in ihrem offenen Brief
z. B. auf erhebliche ökonomische Einbußen hin, falls die bislang praktizierte Verfahrensweise zur Auslobung einer Gentechnikfreiheit nicht erhalten bleibt: „Unseren Produkten aus Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion liegen umfassende Zertifizierungsprozesse sowie in manchen Sektoren weitreichende Anpassungen von Rezepturen und Produktionsprozessen zugrunde. Diese sind für alle Beteiligten der Wertschöpfungskette mit beträchtlichem logistischem und finanziellem Aufwand verbunden.”
Offensichtlich steht für diese Untrnehmen der ökonomische Aspekt im Vordergrund und nicht die sachgerechte Verbraucherinformation über die Beschaffenheit ihrer Produkte.
Das Siegel „ohne Gentechnik“ - ein Auslaufmodell zum Schutz vor Verbrauchertäuschung
Aus dem Bericht der Lebensmittelzeitung (LZ) vom 14.12.2018
„Angriff auf „Ohne Gentechnik“-Label: Händler mit Strafverfolgung bedroht – BVL-Beamte halten Kennzeichnung für irreführend – Verbände sehen Rechtslage unverändert“ und den Unterlagen, die bgf-Jany vorliegen, geht es dem Forum Grüne Vernunft (FGV) in erster Linie um den Schutz von Verbrauchern vor einer Täuschung über die Beschaffenheit der Lebensmittel ohne Gentechnik. In dem Schreiben an Handelsunternehmen führt Dr. H. Rehberger, Vorsitzender der Forums Grüne Vernunft, in Blick auf das EuGH-Urteil aus: "Alle so erzeugten Organismen stellen - so der Gerichtshof – im Sinne der GVO-Verordnung der Europäischen Union gentechnisch veränderte Organismen dar. Damit steht rechtsverbindlich fest: Lebensmittel aus Pflanzen, deren Genom durch strahlen- oder chemikalieninduzierte Mutationen verändert worden ist, enthalten Gentechnik. Ein Label „Ohne Gentechnik“ oder ein sonstiger Hinweis wie z. B. „gentechnikfrei“ auf Verpackungen von Lebensmitteln, die mit solchen Pflanzen gewonnen worden sind, verstößt nach der verbindlichen Interpretation des EuGH gegen europäisches Recht und stellt objektiv eine Verbrauchertäuschung dar.“
Gegen diese augenscheinliche Verbrauchertäuschung möchte der Verein Rechtsmittel einlegen. Aus dem bericht der LZ wird allerdings klar, dass die Ansichten, ob die Auslobung mit "ohne Gentechnik" tatsächlich eine Verbrauchertäuschung darstellt. Diesen Sachverhalt müssen sicherlich Gerichte, wenn nicht gar der EuGH klären.
* Neuartige Lebensmittel- und Lebensmittelzutaten-Verordnung (NVL)